Schüler der HTL Ottakring kritisieren, dass der Spuckvorfall politisch instrumentalisiert werde.

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Ein paar Dutzend Schüler stehen vor der HTL Ottakring in Grüppchen zusammen. Manche machen Mittagspause, andere haben gerade die Deutschmatura hinter sich gebracht. Dass der Name ihrer Schule derzeit nur mehr im Zusammenhang mit dem Begriff "Spuckattacke" genannt wird – davon sind die meisten von ihnen genervt. Viele Schüler berichten dem STANDARD, dass sie schockiert gewesen seien, als sie das Video, das sich online wie ein Lauffeuer verbreitete, gesehen haben. Auch deswegen, weil es kein "Standardmäßiger Umgang untereinander" sei, der hier an der Schule gepflegt werde, sagt ein Schüler. Wiewohl das, was passiert ist, schlimm sei.

Generell herrsche zwischen Schülern und Lehrern ein gutes Verhältnis, sagt ein anderer Schüler, der heuer maturiert und – wie er erzählt – auch schon Jobangebote in der Tasche hat. Manche "pubertierende Schüler" müssten Lehrer zwar "schon fähig sein zu bändigen. Aber weder der jetzige Ruf der Lehrer noch der Schüler ist gerechtfertigt", sagt der 19-Jährige.

Time-out-Klassen

Für den Fall, dass Lehrer die Kontrolle über ihre Schüler verlieren, will das Bildungsministerium Schulen ermöglichen, sogenannte Time-out-Klassen zu schaffen. Diese sollen gewalttätige Kids eine Zeitlang besuchen, bis sie sich wieder im Griff haben. "Wir werden das demnächst vorstellen", bestätigt eine Sprecherin des Bildungsressorts die Pläne im Gespräch mit dem STANDARD. Wahrscheinlich sei, dass diese Klassen in Form von Pilotprojekten eingeführt werden. Noch offen sei, wie lang Schüler darin bleiben sollen und welche Schultypen miteinbezogen werden.

Die Idee dieser Klassen ist nicht neu. Schon im Jahr 2014 setzte sich etwa der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger (FCG), dafür ein. In Time-out-Klassen würden Schüler temporär von Lehrern oder Unterstützungspersonal gefördert, hieß es damals. Nicht nur Gewalt könne ein Grund für die Entsendung in die speziellen Klassen sein, auch Verhaltensauffälligkeiten oder gesundheitliche Aspekte, so Kimberger am Dienstag zum STANDARD. Ob der aktuelle Fall durch die Maßnahmen zu verhindern gewesen sei, möchte Kimberger nicht beurteilen. Der für die Höheren Schulen zuständige Lehrergewerkschafter Roland Gangl kann dem Vorschlag von Time-out-Klasen einiges abgewinnen. Er fordert in erster Linie allerdings Unterstützungspersonal, das in Schulformen wie einer HTL "null vorhanden" sei.

Auch Martha Brinek, Sprecherin des Bildungsministeriums, sieht den Fall in der HTL Ottakring nicht als geeignetes Anlassbeispiel an, um die Einführung der Time-out-Klassen zu argumentieren. Sie weist darauf hin, dass zentrale Fragen unbeantwortet sind, etwa ob es schulpsychologische Begleitung für den Lehrer gab oder ob der Direktor seine Pflichten als Schulleiter wahrgenommen hat. Die Einführung der Time-out-Klassen sei schon länger geplant gewesen. Die Präsentation stehe unmittelbar bevor.

Nicht immer wird es notwendig sein, diese Maßnahme zu ergreifen: Zwei Schüler aus unterschiedlichen Klassen erzählen etwa, dass sie Probleme zwischen Lehrern und Schülern mittels Mediation gelöst hätten. Dass tausende auf einer Facebook-Seite den Direktor zum Rücktritt aufforderten, kann man sich vor Ort nicht erklären. "Ich glaube nicht, dass viele der Unterstützer in unsere Schule gehen", sagt ein Schüler.

Kommission tagt

Seitens der Bildungsdirektion hieß es am Dienstag, dass sich der Lehrer nach wie vor im Krankenstand befinde. Er ist wie berichtet von der Klasse abgezogen worden, eine Suspendierung wurde allerdings noch nicht ausgesprochen, weil davor ein Gespräch mit dem betroffenen Lehrer stattfinden muss. Die Untersuchungskommission trifft heute, Mittwoch, zu einem ersten Treffen zusammen. Ergebnisse werden aber erst in 14 Tagen erwartet.

Ein Schüler erzählt, er werde mittlerweile darauf angesprochen, ob er denn "in diese Migranten-Sonderschule" gehe und verdreht die Augen. Ihn stört, dass der Vorfall "politisch instrumentalisiert" werde. Was den konkreten Fall betreffe, hätten "wahrscheinlich beide Seiten Fehler gemacht", sagt er. Dass die Angelegenheit von einer Kommission untersucht wird, findet er gut. "Schüler sollten Lehrer respektieren und umgekehrt."

Die Wiener Neos regten am Dienstag Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen an und wollen diese heute präsentieren. Die ÖVP sprach sich für eine Beratungsstelle für Pädagogen aus. (Vanessa Gaigg, Rosa Winkler-Hermaden, 7.5.2019)