Google-Chef Sundar Pichai setzte bei der I/O einen Schwerpunkt beim Thema Privacy.

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Ein Fakt ist unumstritten: Google ist einer der größten Datensammler der Welt. Kaum ein Unternehmen hat mehr Einblick in die Aktivitäten seiner Nutzer als der Softwarehersteller aus dem kalifornischen Mountain View. Eine Position, die in der jüngeren Vergangenheit allerdings zunehmend unter Kritik gekommen ist. In dieser Situation versucht es Google nun mit einem neuen Fokus – und zwar auf den Bereich Privatsphäre.

Luxusgut

"Privacy darf kein Luxus sein" betont Google-Chef Sundar Pichai in einem Kommentar für die New York Times. Entsprechend wolle Google die eigenen Datensammlungen künftig so weit wie möglich minimieren. Für gezielte Werbung – mit der Google Geld macht – brauche man erheblich weniger Daten als die meisten glauben. Das Ziel sei also generell immer weniger zu erfassen, die Transparenz zu erhöhen, und den Nutzern überall einen klaren Opt-Out zu geben.

Die Aussage von Pichai ist ein kaum zu übersehender Seitenhieb auf Apple. Dessen Chef Tim Cook wirbt schon länger mit dem Thema Privacy für die eigenen Geräte, und greift dabei auch regelmäßig Firmen wie Facebook oder Google an. Die Positionierung Apples als Gegenstück zu den Konkurrenten hat aber eben einen entscheidenden Schönheitsfehler: Wer Dienste und Geräte von Apple nutzen will, muss dafür ziemlich tief in die Tasche greifen, wodurch all das für einen großen Teil der Menschheit finanziell unerreichbar bleibt.

Chrome blockiert

Der Browser Chrome wird künftig seitenübergreifende Werbetracker weitgehend blockieren. Dies kündigt Google im Rahmen der Keynote zu seiner Entwicklerkonferenz I/O an. So gibt es künftig klare Vorschriften für jene Third Party Cookies, die dazu genutzt werden können, die Nutzer quer durch das Web zu verfolgen. Zudem soll Chrome künftig auch andere Formen des digitalen "Fingerprintings" blockieren. Desweiteren kündigt Google neue Tools an, über die die Nutzer bessere Kontrolle darüber haben, welche Daten Webseiten über sie speichern.

Werbetransparenz

Zusätzlich will das Unternehmen eine neue Erweiterung veröffentlichen, über die die Nutzer im Detail nachvollziehen können, warum sie eine Werbung angezeigt bekommen – und auf welchem Weg sie zu ihnen gekommen ist. Das beinhaltet wer dafür bezahlt oder sie weiterverkauft hat. Das benötigt natürlich die Mitarbeit der Werbedienstleister. Google will hier selbst mit gutem Beispiel vorangehen, fordert aber auch andere zur Transparenz auf. Zu diesem Zweck will man neue Schnittstellen anbieten, über die diese Details an den Browser weitergereicht werden können. Zudem will man diese Daten – in anonymisierter Form – auch Forschern zur Verfügung stellen.

Die neuen Cookie-Regeln bei Chrome sollen in den kommenden Monaten aktiviert werden. Webseitenentwickler sollten sich also lieber früher als später mit dem Thema beschäftigen, immerhin könnte dies potentiell auch Auswirkungen auf ihre Seiten haben.

Einschätzung

Angesicht dessen, dass Chrome schon seit längerem der weltweit – mit großem Abstand – am meisten verwendete Browser ist, könnte die aktuelle Ankündigung den Status Quo von Werbung im Netz gehörig durcheinander wirbeln. Für die Nutzer ist das fraglos ein Privacy-Gewinn, allerdings auch einer der für Google einen angenehmen Nebeneffekt hat: Er könnte nämlich sogar positive Auswirkungen auf das Werbegeschäft des Unternehmens haben.

Grund dafür ist, dass Google dank all seiner Services auch auf anderen Wegen sehr viele Daten über seine Nutzer sammeln kann. Das Unternehmen ist also viel weniger auf webweites Tracking angewiesen als es konkurrierende Werbenetzwerke sind. Insofern könnte sich der Vorsprung bei personalisierter Werbung sogar noch ausbauen. Gerade aus diesem Grund könnte es durchaus interessant werden, wie die Werbebranche auf diese Ankündigung reagiert. Klar ist aber gleichzeitig, dass Google unter Zugzwang steht, da viele andere Browser zuletzt auch Anti-Tracking-Maßnahmen integriert haben – darunter etwa Firefox oder Safari.

Inkognito überall

Eine weitere Verbesserung aus dem Bereich Privatsphäre: Viele Google-Apps sollen künftig einen Inkognito-Modus erhalten, in dem keine Daten gesammelt werden. Konkret spricht Google hier neben Youtube auch von der Google-Suche und Google Maps. Teilweise aktiv ist zudem jetzt jener automatische Zeitablauf für bei Google gespeicherte Daten, den das Unternehmen schon vor einigen Tagen angekündigt hatte. Den Anfang machen hier die "Web und App"-Aktivitäten, für Standortdaten soll dieses Feature bald folgen.

Android

Zahlreiche Privatsphärenverbesserungen verspricht Google auch für die kommende Version seines Betriebssystems – Android 10. Dazu gehört etwa ein eingeschränkter Zugriff auf Standortdaten oder Verbesserungen am Berechtigungssystem. Insgesamt 50 Verbesserungen aus diesem Bereich verspricht Google.

Lokale KI

Langfristig wohl noch wichtiger: Google bei auf Künstliche Intelligenz setzenden Features immer stärker auf die Verarbeitung direkt am Smartphone setzen. Damit wird die Übermittlung sensibler Daten an die Server von Google in vielen Fällen unnötig. In Android 10 nutzt man dies etwa, um Videos dank Spracherkennung automatisch mit Untertiteln zu versehen. Im Herbst soll dann der nächste große Schritt folgen. Für diesen Zeitpunkt ist eine neue Version des Google Assistant geplant, bei der die Interpretation der Sprachbefehle komplett lokal erfolgt. Dafür hat Google seine Sprachmodell auf rund 50 MB kondensiert.

Damit KI-Systeme besser werden müssen sie allerdings auch von den Nutzern lernen. Google will die über das sogenannte "Federated Learning" lösen. Dabei werden lokal gewonnene Erkenntnisse in großen Brocken deanonymisiert und nicht nachvollziehbar an die Server von Google geschickt, um damit dann deren KI-Modelle zu trainieren. Diesen Ansatz nutzt Google zum Teil bereits jetzt für einzelne Features – etwa bei seiner Tastatur Gboard. (Andreas Proschofsky aus Mountain View, 8.5.2019)