Weltweit werden jedes Jahr 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen oder gehen entlang der Wertschöpfungskette verloren. Das bedeutet, etwa ein Drittel aller produzierten Lebensmittel wird nicht verzehrt und muss entsorgt werden¹. Gleichzeitig hungern etwa 821 Millionen Menschen auf unserem Planeten.²

Alleine in der EU landen jedes Jahr stolze 89 Millionen Tonnen Essen pro Jahr im Müll. Dabei entfallen auf jede Person im Durchschnitt rund 179 Kilo, was in etwa einem Viertel der tatsächlich konsumierten Lebensmittel entspricht³. Und das, obwohl ein Großteil des Weggeworfenen noch ohne weiteres genießbar wäre. Bezieht man die gesamte Wertschöpfungskette – von Anbau, Ernte, Lagerung, Weiterverarbeitung,  Produktion und Anlieferung bis zum Endverbraucher – in die Berechnungen mit ein, sind die Daten noch erschreckender: Hier wird der jährliche pro Kopf Verlust in Europa auf 280 bis 300 Kilogramm geschätzt¹. Die Lebensmittel, die nur in Europa und Nordamerika weggeworfen werden, würden ausreichen, um die Hungernden der Welt dreimal zu ernähren.⁴

Auch in Österreich sind die Zahlen zur Lebensmittelverschwendung schockierend. Bei uns werden pro Jahr 760.000 Tonnen Lebensmittel im Müll entsorgt – dabei sind die Abfälle aus der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion und des Großhandels noch gar nicht mit einberechnet.⁵ Das wirklich beschämende daran ist, dass etwa die Hälfte des Abfalls durchaus vermeidbar wäre³. In Wien wird täglich jene Menge an Brot als Retourware vernichtet, mit der die zweitgrößte Stadt Österreichs, Graz, versorgt werden könnte.⁴

In Afrika und im südlichen Asien gibt es ebenfalls große Lebensmittelverluste von über 40 Prozent, obwohl hier kaum Essen weggeworfen wird. Die Gründe hierfür sind in diesen Regionen vor allem falsche Lagerung der Lebensmittel nach der Ernte sowie Fehler bei der Verpackung und bei der Kühlung.

Wieso landet so viel Essen im Müll?

Die Essensverschwendung startet schon am Beginn der Wertschöpfungskette, noch bevor die Nahrungsmittel überhaupt im Supermarktregal landen. In Österreich geht schätzungsweise ein Viertel der Obst- und Gemüseernte bereits in der Landwirtschaft verloren⁵. Viele Lebensmittel werden hier von vornherein aussortiert und verrotten schon in den Anbaugebieten, da Form und Aussehen nicht der Norm entsprechen. Auch bei der Produktion, im Einzelhandel und in der Gastronomie fällt Lebensmittel-Müll an. Bruch, Abschreibungen, nicht verkaufte und an Produzenten retournierte Ware – all das wird entsorgt. Nur knappe sechs Prozent der nicht verkauften Nahrung aus dem Handel kommen sozialen Zwecken zugute.

Seitens der Konsumenten führen vor allem fehlende Einkaufsplanung und falsche Lagerung dazu, dass viel zu viel Essen weggeworfen wird. Auch die übertriebene Vorsicht beim Haltbarkeitsdatum trägt dazu bei: Oft finden sich im Müll der Haushalte noch ungeöffnete Lebensmittel in Originalverpackung.

Schimmel erwartet man beim Öffnen von abgelaufenen Lebensmitteln. Doch das ist oft ein Irrtum.
Foto: istockphoto.com/at/portfolio/RalfGeithe

Tipps gegen Essensverschwendung

Lebensmittel sind wertvoll, und ihre Produktion verbraucht Ressourcen. Diese werden ohnehin auf unserem Planeten rasant weniger. Angesichts der voranschreitenden Zerstörung unseres Planeten – Stichworte Klimaerwärmung und schwindenden Biodiversität – ist es wichtiger denn je, die Verschwendung von Lebensmitteln so gering wie möglich zu halten. Konsumentinnen und Konsumenten können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die nicht einmal mehr Aufwand bedeuten, aber effizient sind – und so ganz nebenbei auch die Geldbörse schonen:

  • Einkaufsliste erstellen. Vor dem Einkauf den Kühlschrank auf Vorräte checken, eine Einkaufsliste schreiben und gezielt einkaufen. Ein kleiner Tipp: Wenn möglich, nicht hungrig einkaufen gehen, denn dann wird meistens mehr gekauft als geplant.
  • Nur so viel einkaufen, wie verbraucht werden kann. Oft locken Supermärkte mit Mengenrabatte, Großpackungen und Preisaktionen. Trotzdem sollten nur Packungsgrößen und Mengen gekauft werden, die auch aufgegessen werden können.
  • Auch Obst und Gemüse kaufen, das nicht der Norm entspricht.Gegen den Schönheitswahn bei Obst und Gemüse gibt es schon zahlreiche Initiativen. So können im Österreichischen Handel beispielsweise seit 2013 Obst- und Gemüse-"Wunderlinge" zu sehr günstigen Preisen erstanden werden – die Form beeinflusst ja den Geschmack dieser Produkte nicht. Auch eine zweibeinige Karotte oder ein kleiner Apfel können durchaus dem Gaumen erfreuen. Besonders großes oder kleines Obst erweist sich manchmal sogar als recht praktisch in der Küche.
  • Lebensmittel richtig lagern. Lebensmittel einfrieren, bevor sie schlecht werden.
  • Food-Coops nutzen. Lebensmittelkooperativen – sogenannte Food Cooperativen - sind Zusammenschlüsse von Personen und Haushalten, die selbstorganisiert biologische Produkte direkt vom Produzenten beziehen. Abgeholt werden diese von einem gemeinsamen Lagerraum. So kommt Essen auf den Teller, das bio, fair und nachhaltig ist, und es können kleine Mengen bestellt werden.
  • Ware nach Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht automatisch wegwerfen. Lebensmittel auf tatsächlichen Verderb prüfen, bevor sie im Müll landen.

Kleines Experiment zum Mindesthaltbarkeitsdatum

Lebensmittel können ein Mindesthaltbarkeitsdatum oder ein Verbrauchsdatum aufgedruckt  haben, und diese unterscheiden sich grundsätzlich voneinander. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist eine Garantieerklärung des Herstellers und sollte nicht automatisch als Verfallsdatum interpretiert werden. Es gibt lediglich an, wie lange ein ungeöffnetes Lebensmittel bei geeigneter Lagerung mindestens alle seine charakteristischen Eigenschaften garantiert beibehält. Bei Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums muss ein Produkt in vielen Fällen nicht entsorgt werden, da es oft noch lange darüber hinaus genießbar und einwandfrei ist. Anders verhält es sich beim Verbrauchsdatum, zu erkennen durch den Aufdruck "Zu verbrauchen bis". Dieses findet man oft auf Verpackungen von leicht verderblichen Lebensmittel wie Fleisch und Fisch. Hier sollte man sich wirklich daran halten, weil Gesundheitsgefahr durch Keime besteht.

Wir wollten wissen, wie genau man es mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum – oft fälschlicherweise auch als "Ablaufdatum" bezeichnet – wirklich nehmen muss und haben einen kleinen Versuch dazu durchgeführt: Neun gleiche Naturjoghurts wurden zusammen gekauft, unter gleichen Bedingungen transportiert und aufbewahrt. Nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums wurde wöchentlich je ein Joghurt geöffnet und von den gleichen drei Personen getestet. Das letzte Joghurt wurde neun Wochen nach dem "Ablaufen" verbraucht. Bewertet wurden Aussehen, Geruch  und Geschmack.

Fazit des Eigenversuchs: Aussehen und Geruch des Joghurts veränderten sich im Lauf der neun Wochen nicht. Im Testzeitraum gab es keine Schimmelbildung oder ähnliches. Auch geschmacklich konnte das Joghurt selbst neun Wochen nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch voll überzeugen. Ab der Woche sieben wurde nur ein leicht sahnigerer Geschmack als zu Beginn wahrgenommen, der aber nicht als unangenehm eingestuft wurde. Mit diesem kleinen Experiment lassen sich natürlich keine wissenschaftlich fundierten Aussagen treffen, es konnte jedoch zumindest bei unserer Testgruppe ein Umdenken bewirken: Abgelaufene Joghurts hat seither niemand mehr weggeworfen, ohne sie vorher zu öffnen.

Wann Vorsicht geboten ist

Viele Produkte sind auch lange nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch bedenkenlos zu genießen. Zeigen sich jedoch Schimmelspuren, kann es problematisch werden und es ist Vorsicht geboten, denn:

Manche Schimmelpilzarten produzieren bei ihrem Wachstum giftige Stoffwechselprodukte, so genannte Mykotoxine. Schimmelpilze der Gattung Aspergillus bilden sogenannte Aflatoxine, die für Mensch und Tier äußerst gefährlich sind. In hoher Dosis können sie Leberschäden hervorrufen, und die wiederholte Aufnahme geringer Mengen gilt als höchst krebserregend⁶. Sie sind sehr stabil und können durch Kochen, Braten, Backen, Trocknen oder Einfrieren nicht zerstört werden. Lebensmittel sollten deshalb auch schon bei geringem Schimmelbefall entsorgt werden, da sich giftige Stoffwechselprodukte schon im Lebensmittelinneren befinden können.Das gilt beispielsweise für schimmeliges Brot, Getreide, Müsli und Milchprodukte wie Käse, Joghurt oder Topfen sowie für wasserhaltige Lebensmittel wie Kompott, Saft, Suppe, Saucen, Obst, Gemüse oder Marmelade mit weniger als 50 Prozent Zuckergehalt. Diese Lebensmittel  sollten alle bei Schimmelbildung zur Gänze entsorgt werden, da sich die Schimmelpilzgifte auch unsichtbar ausbreiten können. Die Empfehlungen gehen bei Hartkäse oder Parmesan auseinander: sind manche hier der Meinung, dass man die vom Schimmel befallenen Stellen großzügig wegschneiden kann, raten manche Experten auch hier zur vollständigen Entsorgung.

Fisch und Fleisch sollten nach dem Verbrauchsdatum unbedingt entsorgt werden, da hier die Gefahr erhöhter Keimbelastung besteht. So können vor allem Faschiertes und Hühnerfleisch mit Salmonellen kontaminiert sein. Auch das Bakterium Clostridium botulinum kann sich auf Fleischwaren ansiedeln und kann schwere Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Es produziert das extrem gefährliche Toxin Botulinustoxin, das stärkste bekannte Bakterientoxin. Für den Menschen ist bereits weniger als ein Milligramm davon tödlich⁷. Clostridium beziehungsweise seine Sporen sind äußerst widerstandsfähig gegen Hitze, Frost und Austrocknen. Auch der Inhalt von Konservendosen, deren Deckel sich nach außen wölbt, muss deshalb unbedingt entsorgt werden, da die Ursache dafür oft Clostridien sind. (Alexandra Schebesta, 16.5.2019)

Alexandra Schebesta ist promovierte Genetikerin und seit mehreren Jahren in der Wissenschaftskommunikation tätig. Als Projektleiterin bei Open Science betreut sie Projekte mit unterschiedlichsten Zielgruppen. Sie ist eine der Bloggerinnen, die als "bESSERwisser" die Beiträge für den Hungry-for-Science-Blog von Open Science verfassen.

Mehr Beiträge finden Sie auf hungryforscience.at.

Referenzen

¹ Gustavsson J., Cederberg C. and Sonesson U. et al.: Global food losses and food waste – extent, causes and prevention (2011),Food and Agriculture Organization of the United Nations.

² Welthunger-Index 2018.

³ Preparatory study on food waste across EU 27 (2010), Europäische Kommission.

⁴ Taste the waste (2011), Deutscher Dokumentarfilm von Valentin Thurn.

⁵ Pladerer C., Bernhofer G., Kalleitner-Huber M.  und Hietler P.: Lagebericht. Lebensmittelabfälle & -Verluste in Österreich (2016), WWF Österreich & Mutter Erde. 

⁶ Frisvad JC, Thrane U., Samson RA and Pitt JI: Important mycotoxins and the fungi which produce them (2006), Adv. Exp. Med. Biol. 571, p. 3-31.

⁷ Peck MW: Biology and Genomic Analysis of Clostridium botulinum (2009). Advances in Microbial Physiology, Vol 55, p. 183–265, 320.

Links