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US-Justizminister William Barr sagte Anfang Mai im Senat zur Russland-Affäre aus. Dort hatte er als Vertreter Trumps nicht viel zu befürchten. Im Repräsentantenhaus wäre das wohl anders.

Foto: Reuters / Jim Bourg

Was Donald Trump unter einem guten Rechtsanwalt versteht, hat er am Beispiel von Roy Cohn des Öfteren durchbuchstabiert. Von dem New Yorker Advokaten, der sowohl beinhart agierte als auch über ein engmaschiges Beziehungsgeflecht verfügte, lernte er, dass man jeden Angriff mit einem Gegenangriff beantwortet, und zwar ohne sich jemals für etwas zu entschuldigen. "Cohn, der würde töten für Leute, die er mag", soll er, so zitiert ihn der Biograf Michael d'Antonio, voller Bewunderung angemerkt haben.

Mit William Barr, erst seit diesem Februar US-Justizminister, scheint Trump einmal mehr seinen Roy Cohn gefunden zu haben: einen Juristen, der qua Verfassung zur Unabhängigkeit verpflichtet wäre, obwohl er dem Kabinett angehört; sich aber tatsächlich als strikter, robuster, abgeklärter Interessenvertreter des Weißen Hauses versteht. Mit Barr zieht der US-Präsident in eine Schlacht gegen die Opposition, die er ganz im Sinne Cohns führt: nicht nachgeben, alles abblocken, weil allein schon die Bereitschaft zum Kompromiss als Schwäche ausgelegt werden könnte.

Pficht, die Regierung zu kontrollieren

Am Mittwoch stimmte der Justizausschuss des Repräsentantenhauses darüber ab, ob Barr den Kongress missachtet, weil er mehrere Fristen zur Herausgabe des unredigierten Berichts Robert Muellers, des Sonderermittlers der Russlandakte, ignorierte. Eine Mehrheit stimmte mit "Ja". In er Nacht auf Donnerstag (MEZ) erklärte Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses, dass er Barr mit einer Subpoena belegt hat, alle Dokumente der Mueller-Ermittlugen, inklusive dem vollen, unredigierten Bericht, dem Haus bis 15. Mai zu übergeben.

In Wahrheit geht es um mehr, es geht um eine Machtprobe zwischen den Institutionen, in deren Folge manche Kritiker des Präsidenten bereits eine Verfassungskrise heraufziehen sehen.

Nach der altbewährten Kräftebalance im System der "checks and balances" hat die Legislative nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Regierung zu kontrollieren. Dazu kann sie die Freigabe vertraulicher Dokumente erzwingen, sie kann Regierungsvertreter als Zeugen vorladen; sie besitzt, um es mit einem Urteil des Obersten Gerichts zu sagen, "die Macht der Erkundigung". Das Abgeordnetenhaus, von den Demokraten beherrscht, kommt dieser Aufgabe nach, während die republikanische Mehrheit im Senat Trumps Ansichten teilt.

Dieser nämlich interpretiert die Nachforschungen – wörtlich – als Belästigung. Seine Minister wies er an, praktisch alles unter Verschluss zu halten. Was immer die Kammer verlange, dagegen werde man sich zur Wehr setzen, hatte er bereits Ende April die Richtung vorgegeben.

Streit um Textschwärzungen

Also stemmt sich Barr gegen die Aufforderung, eine ungeschwärzte Fassung des Mueller-Berichts auszuhändigen. Außerdem stellte Finanzminister Steve Mnuchin klar, dass er Steuererklärungen Trumps nicht veröffentlichen werde. Obwohl seit Richard Nixon alle US-Präsidenten ihre Steuererklärungen offengelegt haben, sprach Mnuchin von einem "beispiellosen" Ansinnen, für das es keinen Präzedenzfall gebe. Nunmehr ist es ein Bericht der New York Times, der die Demokraten in ihrer Absicht, Licht ins Dunkel zu bringen, noch bestärkt. Demnach hat der Immobilienunternehmer Trump zwischen 1985 und 1994 insgesamt 1,17 Milliarden Dollar (1,04 Mrd. Euro) an Verlusten steuerlich geltend gemacht. Es war die Zeit, in der er groß ins Kasinogeschäft einstieg und sich verhob. Was allerdings an den dunkelroten Zahlen eher auf kreative Buchhaltungstricks zurückgeht, würden seine Gegner gern genauer wissen. Schließlich zahlte der Geschäftsmann in acht der genannten zehn Jahre nicht einen Cent Einkommensteuer.

Drittens hat es das Oval Office dem Juristen Donald McGahn untersagt, dem Kongress Gesprächsprotokolle zu übergeben, auf denen der Mueller-Report in wichtigen Passagen beruht. Es war der Zeuge McGahn, bis vergangenen Oktober oberster Rechtsberater der Regierungszentrale, der am detailliertesten schilderte, wie Trump die Ermittlungen abzuwürgen versuchte, etwa indem er verlangte, Mueller zu feuern. Der wiederum sprach Trump zwar vom Verdacht geheimer Wahlkampfabsprachen mit Russland frei, nicht aber vom Vorwurf der Justizbehinderung. Barr, ganz der parteiische Verteidiger, sah den Präsidenten dagegen in allen Punkten entlastet. Worauf Mueller dezidiert widersprach: In einem Brief an den Minister beklagte er sich über die arg verkürzte Darstellung seiner Untersuchungsergebnisse.

Erinnerung an 1974

Das ist die Vorgeschichte, angesichts derer die Opposition auf uneingeschränkte Transparenz drängt. Als Mitch McConnell, im Senat die Nummer eins der Konservativen, das Kapitel Mueller für beendet erklärte, erinnerte sein demokratischer Gegenspieler Chuck Schumer an Präsident Richard Nixon. Der war 1974 im Zuge des Watergate-Skandals zurückgetreten, bevor ihn das Parlament seines Amtes entheben konnte. Wenn McConnell den Fall abhake, wetterte Schumer, sei das ungefähr so, als hätte Nixon auf dem Höhepunkt der Watergate-Recherchen gesagt, dass man weiterziehen solle. "Natürlich wollen sie weiterziehen. Sie wollen ja Spuren verwischen."

Vorladung an Trump Jr.

Auch der von den Republikanern kontrollierte Senat beschäftigt sich weiter mit der Russland-Affäre. Laut US-Medienberichten stellte der Geheimdienstausschuss des Senats eine Subpoena, also eine Vorladung, an den ältesten Präsidentensohn Donald Trump junior aus. Er soll zu den mutmaßlichen russischen Wahlkampfeinmischungen aussagen. Der Trump-Sohn hatte sich im Juni 2016 mit einer russischen Anwältin getroffen. (Frank Herrmann aus Washington, red, 8.5.2019)