Bildungsminister Heinz Faßmann will noch 2019 Pilotschulen finden, um die Maßnahmen zu testen.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Nach dem Vorfall an der HTL Ottakring, wo ein Konflikt zwischen einem Lehrer und Schülern eskaliert war, konkretisierte nun Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) die geplanten Deeskalationsmaßnahmen. Der am Freitagvormittag zusammen mit Erwin Rauscher, Rektor der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich, und Andrea Richter von der Bildungsdirektion Niederösterreich präsentierte Neun-Punkte-Plan beinhaltet drei Stufen: Prävention, Konfliktresilienz und Eskalation.

Inhalt des Plans sind unter anderem die Time-out-Klassen, die im Vorfeld bereits breit kritisiert wurden. Wenn "der Schulalltag nicht mehr bewältigbar" sei, so Faßmann, soll es die Möglichkeit geben, störende Schüler in Time-out-Gruppen zu geben – allerdings erst nach einer "erheblichen Verhaltensauffälligkeit". Dort könnten sie für einen "begrenzten Zeitraum" – Faßmann spricht von einer Woche oder einem Monat – sein, bis sie wieder in den Regelunterricht zurückkehren. Die Gruppengröße soll bei fünf bis acht Schülern liegen, auch standortübergreifende Modelle kann sich der Bildungsminister vorstellen.

Das Video zur Pressekonferenz.
ORF

Auf Ebene der "Konfliktresilienz" findet sich außerdem das Konzept eines "Cool-down-Raums", der der Deeskalation dienen soll. Dort sollen Streitende ihr Verhalten reflektieren.

Weitere Inhalte des Plans sind Teambuilding-Maßnahmen am Beginn des Schuljahrs, um eine Gemeinschaft zu formen. "Das sieht zwar aus wie Verschwendung von Unterrichtszeit, aber alles, was man investiert, um eine Einheit zu schaffen, erspart man sich im Laufe des Schuljahrs an Maßnahmen", ergänzte die Leiterin der niederösterreichischen Schulpsychologie, Andrea Richter.

Time-out-Gruppen und Cool-down-Räume sollen streitende Schüler dazu bringen, ihr Verhalten zu reflektieren.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

In der Ausbildung sollen angehende Lehrer – dazu zählten auch Quereinsteiger – außerdem besser auf extreme Konflikte vorbereitet werden, so Faßmann. Außerdem sollten Schüler durch Verhaltensvereinbarungen zum Selbstbild einer gewaltfreien Schule beitragen – bei Nichteinhalten wären etwa Hilfsdienste in der Bibliothek oder die Mithilfe bei Veranstaltungen denkbar.

Time-out-Klassen umstritten

Seit der Ankündigung der Time-out-Klassen haben sich Befürworter und Kritiker zu Wort gemeldet: Die Lehrergewerkschaft fordert die Maßnahme schon seit Ende der 1990er-Jahre und reagiert zustimmend auf den Plan. Experten zeigen sich indes skeptisch: Der Soziologe Kenan Güngör warnte im STANDARD, dass Time-out-Klassen dazu verleiten würden, Problemschüler in separate Klassen abzuschieben und längerfristige Lösungen gar nicht erst zu suchen. Gewalt oder Mobbing in der Klasse könne man nur nachhaltig verhindern, wenn man bei der ganzen Klasse beziehungsweise Schule ansetze, betonte die Bildungspsychologin Christiane Spiel im Ö1-Interview.

STANDARD-Livediskussion zum Thema Gewalt in der Schule.
DER STANDARD

Abgelehnt werden Time-out-Klassen auch von den Neos: Neos-Bildungssprecher Douglas Hoyos erinnern die geplanten Time-out-Klassen an "In-die-Ecke-Stellen, eine steinzeitliche Bestrafungsmethode an Schulen, die keineswegs zielführend war".

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt die FPÖ: Sie verlangt Erziehungscamps für "gewalttätige Problemschüler". Der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer (SPÖ) sagt gegenüber der APA, das Konzept sei "noch nicht zu Ende gedacht", schon jetzt würden Kinder und Jugendliche bei Problemen temporär aus der Klasse genommen. Außerdem sie die Frage der Ressourcen noch ungeklärt. Auch Jetzt-Bildungssprecherin Stephanie Cox ortete noch viele offene Fragen beim Neun-Punkte-Plan, etwa die Finanzierung und die Autonomie der Schulen bei der Umsetzung.

Bis zum Sommer soll das Konzept zu den Time-out-Gruppen und anderen Maßnahmen ausgearbeitet werden, zudem sollen Pilotschulen identifiziert werden.

Die Videos aus der HTL Ottakring waren zwar nicht Auslöser für die Maßnahmen, sagte Faßmann in der Pressekonferenz, sie hätten den Prozess aber beschleunigt. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie ein Lehrer einen Schüler bespuckt, dieser ihn im Anschluss gegen die Tafel stößt. In der Folge wurden weitere Videos publik: Auf einem pfeifen die Schüler dem Lehrer aus nächster Nähe ins Ohr, während dieser fast bewegungslos auf einem Stuhl sitzt. Ein Video, das aus der HTL Donaustadt stammen soll und später auftauchte, zeigt, wie Schüler einen Lehrer mit einem Mülleimer bewerfen. (elas, APA, 10.5.2019)