Moskau – Russland bringt neuen Schwung in die landwirtschaftliche Nutzung von Genome-Editing-Verfahren. Ein angekündigtes Forschungsprogramm soll die Entwicklung neuer Züchtungen von Nahrungspflanzen und Nutztieren mithilfe von Techniken wie der Gen-Schere CRISPR/Cas9 ankurbeln. Bis 2027 sollen insgesamt 30 genetisch verbesserte Organismen entwickelt und kultiviert werden, wie "Nature News" berichtet. Als Beispiele wurden krankheitsresistente Sorten von Gerste, Kartoffeln, Weizen und Zuckerrüben genannt.

Zuckerrüben dürfen in Österreich auch nicht mit neuen, subtileren Methoden genverändert werden. Russland geht einen anderen Weg.
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Rund 1,5 Milliarden Euro sollen für das Programm zur Verfügung stehen, wie es in einer Verordnung von Ende April heißt. Der wesentliche Punkt daran ist aber nicht die Finanzierung, sondern die Definition gentechnisch veränderter Organismen (GVO). Denn nach einem Gesetz von 2016 ist die Herstellung von GVOs in Russland generell untersagt – außer zu Forschungszwecken. Ob darunter auch neuere Methoden der Gentechnik fallen, die nicht zwingend transgene Organismen erzeugen, war aber unklar.

Gleichstellung mit herkömmlichen Methoden

Die neue Verordnung ist diesbezüglich konkreter: Darin werden Techniken wie CRISPR/Cas9 als vergleichbar mit herkömmlichen Zuchtmethoden bewertet, sofern die genetischen Veränderungen nicht durch das Einschleusen artfremder Gene hervorgerufen werden. Damit gilt in Russland eine ähnliche Definition wie in den USA, wo geneditierte Pflanzen ohne Fremd-DNA generell von Gentechnikrichtlinien ausgenommen wurden und CRISPR-Lebensmittel bereits im Handel sind.

Video: Wie die Gen-Schere funktioniert
DER STANDARD

In der EU setzte vergangenen Juli ein überraschend restriktives Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg den rechtlichen Unklarheiten ein Ende. Demnach fallen auch neuere Techniken, die keine transgenen Organismen erzeugen, pauschal unter die bestehenden Gentechnikrichtlinien. Der EuGH argumentierte die Entscheidung mit vorbeugendem Schutz der menschlichen Gesundheit.

Kritik aus der Wissenschaft

Bei vielen Experten stieß das Urteil auf Unverständnis. Christiane Druml, Vorsitzende der österreichischen Bioethikkommission, sprach damals im Gespräch mit dem STANDARD von einem "romantisch verstandener Natürlichkeitsbegriff" und einer "existierenden Abneigung gegenüber Genetik".

Im Unterschied zu klassischen gentechnischen Verfahren werden bei Genome-Editing-Techniken häufig keine artfremden Gene in das Erbgut eingebaut, sondern vorhandene Gene gezielt ausgeschaltet oder Mutationen ausgelöst, die zum gewünschten Zuchtergebnis führen sollen. Solche Veränderungen könnten auch auf natürliche Weise oder mit herkömmlichen Zuchtmethoden entstehen – aber viel aufwendiger, kostspieliger und unpräziser.

Forscher sehen in Genome-Editing ein mächtiges Werkzeug für die Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels und rasanten Bevölkerungswachstums: So wird etwa an dürreresistentem Mais, an Obstsorten, die weniger Spritzmittel benötigen, und an Reis mit höherem Nährstoffgehalt gearbeitet. Sojabohnen, bei deren Verarbeitung weniger Transfettsäuren entstehen und Champignons, die länger frisch bleiben, gibt es längst. (David Rennert, 16.5.2019)