Jean Asselborn, der luxemburgische Außenminister, sagte vor kurzem bei einer Veranstaltung in Wien: "Die EU ist ein Konstrukt, und nicht einmal ich verstehe wirklich, wie sie funktioniert." Die Aussage kann wohl getrost als Koketterie bezeichnet werden. Aber recht hat er: Kompliziert ist das Institutionen- und Vertragsgefüge der Europäischen Union aber allemal. Jede Maßnahme, die auf Ebene der EU getroffen wird, basiert jedenfalls auf Verträgen, die von den Mitgliedsländern vereinbart und dann von den nationalen Parlamenten oder per Referendum ratifiziert wurden. Die wichtigsten Organe, das Zentrum der Macht der Europäischen Union sozusagen, sind Rat, Kommission und Parlament.

Familienfoto: die Staats- und Regierungschefs der EU und Ratspräsident Tusk beim informellen Gipfeltreffen in Salzburg im September 2018.
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  • Europäischer Rat und Rat der EU

Der Europäische Rat, nicht zu verwechseln mit dem Rat der EU, das sind die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und der Präsident der Kommission. Derzeit ist Donald Tusk der amtierende Ratspräsident. Sie alle legen gemeinsam die allgemeinen politischen Prioritäten der EU fest. Die Beschlussfassung ist oft nicht unkompliziert, weil sie in vielen Bereichen einstimmig erfolgen muss, zum Beispiel beim Beitritt neuer Länder, bei der polizeilichen Zusammenarbeit, bei der gemeinsamen Verteidigungspolitik, bei Sozialem oder Steuern.

Im Rat der EU oder Ministerrat wiederum kommen die jeweiligen Fachminister aus allen EU-Ländern zusammen, um Rechtsvorschriften zu diskutieren, anzupassen oder anzunehmen. Beim ordentlichen Gesetzgebungsverfahren kommt ein europäisches Gesetz nur dann zustande, wenn sich im Parlament und im Rat eine Mehrheit findet. Der EU-Ratsvorsitz wechselt turnusmäßig jedes halbe Jahr von einem EU-Mitgliedsstaat zum nächsten. Derzeit hat ihn noch bis Ende Juni Rumänien inne, dann folgt Finnland.

Das Berlaymont-Gebäude, der Sitz der EU-Kommission in Brüssel.
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  • Die EU-Kommission

Die EU-Kommission wahrt die Interessen der EU insgesamt und ist für das politische Tagesgeschäft zuständig. Sie ist also die Exekutive der EU und bringt nicht nur neue Vorschläge ein, sondern setzt auch Beschlüsse des EU-Parlaments und des Rates der EU um. Häufig werden Gesetzesvorschläge auch auf Ersuchen des Parlaments oder des Rates unterbreitet. Als "Hüterin der Verträge" überwacht sie auch die Einhaltung des Europarechts in den Mitgliedstaaten und kann gegen diese auch Vertragsverletzungsverfahren initiieren und Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Nicht nur gegen Polen und Ungarn, auch gegen Österreich laufen Vertragsverletzungsverfahren, zum Beispiel wegen der Indexierung der Familienbeihilfe.

Derzeit wird die Kommission vom Luxemburger Jean-Claude Juncker geleitet. Die Spitzenkandidaten der einzelnen Fraktionen bei der EU-Wahl gelten als Bewerber und Bewerberinnen um diesen Posten. Bis jetzt war es üblich, dass der Kandidat der stärksten Fraktion als Kommissionspräsident vorgeschlagen wurde. Der Aussichtsreichste nach diesem System ist derzeit der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber.

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Abgeordnete bei einer Abstimmung im Europäischen Parlament.
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  • Das Europäische Parlament

Das Europäische Parlament mit Sitz in Straßburg ist der Gesetzgeber in der Union und wird alle fünf Jahre von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt. Aktuell arbeiten hier 751 Abgeordnete aus 28 Mitgliedsstaaten. Präsident ist der Italiener Antonio Tajani. Sobald Großbritannien aus der EU aussteigt, werden 73 britische Sitze "frei". Nur 27 davon werden jedoch auf die verbleibenden Länder aufgeteilt, Österreich würde beispielsweise einen Sitz zusätzlich bekommen und dann 19 Abgeordnete haben. Der Rest der britischen Sitze bleibt in "Reserve" für mögliche neue EU-Länder.

Das Parlament verabschiedet in Zusammenarbeit mit dem Rat der EU und auf der Grundlage von Vorschlägen der Europäischen Kommission EU-Rechtsvorschriften. Außerdem ist es zuständig für die demokratische Kontrolle aller EU-Organe, wählt den Präsidenten der Kommission und sorgt für den "mehrjährigen Finanzrahmen". (Manuela Honsig-Erlenburg, 23.5.2019)