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Matera, eine der beiden Kulturhauptstädte 2019, ist auch in anderen Jahren ein großartiges Ziel.

Foto: Getty Images

Künstlerische Spiegelungen in Matera.

Foto: Ufficio stampa Matera 2019

Kleinskulpturen in Matera.

Foto: Ufficio stampa Matera 2019

Eine Straßenszene in Valletta auf Malta, Kulturhauptstadt im Jahr 2018.

Foto: Eric Frey

Eine Kunstinstallation aus Fäden in Paphos, Zypern, Kulturhauptstadt im Jahr 2017.

Foto: Eric Frey

Das moderne Gesicht von St. Pölten, das gerne 2024 Kulturhauptstadt wäre.

Foto: Heribert Corn

Die aktuellen und kommende Kulturhauptstädte Europas.

Karte: Der Standard

Träumen Sie schon länger von einer Reise ins irische Galway? Oder vom Urlaub in der kroatischen Hafenstadt Rijeka? Ist Timisoara in Rumänien eine Reise wert? Wollen Sie in Griechenland die Mysterien von Eleusis erforschen? Oder vielleicht die westungarische Barockstadt Veszprém oder Kaunas, die zweitgrößte Stadt Litauens, kennenlernen?

Für all diese Destinationen bieten sich bald gute Gelegenheiten. Denn diese Orte werden in den kommenden Jahren zwölf Monate lang den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" tragen. Sie werden sich für diesen Anlass mit viel Geld herausputzen, ein dichtes Programm an Aufführungen und Ausstellungen auf die Beine stellen und in alle Welt die Botschaft hinausposaunen: Kommt!

Immer kleiner

Europäische Kulturhauptstädte gibt es seit nunmehr 35 Jahren. Waren es einst die großen Touristenzentren wie Athen, Florenz, Paris oder Madrid, die mit diesem Prädikat um Besucher buhlten, sind in den vergangenen Jahren die Kulturhauptstädte immer kleiner und weniger bekannt geworden – aber deshalb nicht weniger sehenswert. Im Gegenteil: Wer die Kulturhauptstadt zum Anlass für eine Reise nimmt, lernt Gegenden und Orte kennen, an denen man sonst möglicherweise achtlos vorbeigefahren wäre.

So ging es mir im Sommer 2012, als ich mit meiner Familie nach Triest unterwegs war. Der schnellste Weg dorthin führt über Maribor, und das war gerade Kulturhauptstadt. Ein guter Grund, dort Pause zu machen. Die Stadt war mit Kulturhauptstadtpostern mit bunten Kügelchen übersät, die uns ins Zentrum führten. Wir besuchten eine Ausstellung, überquerten die Drau, setzten uns in ein Café am Flussufer und spürten den versteckten Charme von Sloweniens zweitgrößter Stadt, die sonst im Schatten von Ljubljana steht.

Auf nach Zypern

Die nächste Kulturhauptstadtreise war schon etwas gezielter: Paphos 2017 bot die Gelegenheit, endlich einmal Zypern zu besuchen – diesmal zu zweit. Das war im Mai, und die Hafenstadt im Südwesten der Insel, die nach der Teilung vor 45 Jahren einen guten Teil der Bewohner verloren hatte, war mitten im Kulturhauptstadtfieber, aber das Stadtzentrum war noch lange nicht fertig mit all den geplanten Neubauten und Renovierungen. Man hatte spät begonnen und litt unter Budgetnöten, aber das ist bei Kulturhauptstädten nicht so selten.

Aber dank des warmen Wetters brauchte Paphos nicht viel: Es gab schöne Konzerte im Freien, einige Kunstausstellungen und ein Team, das wirklich bemüht war zu zeigen, dass diese Stadt mit ihrer jahrtausendealten Geschichte nicht nur für einen Strandurlaub geeignet ist.

Programm mit Lücken

Wer sich von Kulturhauptstädten eine Art Dauerfestival erwartet, wird enttäuscht sein. Das Programm ist über ein ganzes Jahr verteilt, was zahlreiche Lücken lässt, und manche Konzepte wirken etwas bemüht. Man sucht ein Motto, mehrere Leitmotive und muss sich dann entscheiden, ob man eher lokale Künstler oder internationale Performer in den Mittelpunkt stellt, ob man eher auf Geschichte oder Gegenwart setzt. Nein, man muss sich gar nicht entscheiden: Kulturhauptstadtprogramme bieten stets ein buntes Gemisch von allem.

Die Nominierung ist ein eigenes Ritual: EU-Parlament und Rat bestimmen sechs Jahre im Voraus das Land, in dem sich dann Städte bewerben können. In kleinen Ländern ist es gelegentlich noch die Hauptstadt, in größeren schon lange nicht mehr. Manche Städte protzen mit großen Budgets und vielen neuen Bauten, andere müssen mit wenig Geld das Kunststück schaffen.

Dass Maltas Hauptstadt Valletta, die wir im Herbst 2018 besuchten, gerade Kulturhauptstadt war, war Zufall. Von den Touristenmassen, die sich durch die Gassen der Barockstadt wälzten, schienen nur wenige am Programm interessiert. Es gab auch nicht viel: ein Konzert eines Bläserquintetts aus Stockholm in einem Saal des archäologischen Nationalmuseums, mit billigem Wein zur Begrüßung und eine kurze Unterbrechung durch einen Feuerfehlalarm. Aber das machte den Abend noch sympathischer.

In die Stadt der Steine

Die Reise ins süditalienische Matera im Februar dieses Jahres war als Kulturhauptstadtbesuch konzipiert. Die Stadt der "Sassi" (Steine) mit ihren Höhlenwohnungen und ihrer 8000 Jahre alten Geschichte klang besonders spannend, und das Programm war ein Anreiz, einen Flug nach Bari zu buchen. Dort konnten wir erleben, wie sich ein Ort, der trotz Weltkulturerbestatus immer noch zu den kulturellen Geheimtipps zählt, über die Kulturhauptstadt ins weltweite Bewusstsein schieben will.

Auch in Matera war die Stadt selbst beeindruckender als das Programm, das gerade erst angelaufen war. Aber zahlreiche kleine Ausstellungen und Kunstinstallationen waren über die Stadt verteilt und boten den Anreiz, möglichst viel von Matera zu entdecken und mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Im Sommer, das war klar, werden Besucher vor allem auf andere Touristen stoßen.

Kleine Perlen

Plowdiw, die zweite Kulturhauptstadt des Jahres, muss auf einen anderen Anlass warten. Aber vielleicht nutzen wir die Gelegenheit, in naher Zukunft in Rijeka (2020) Timisoara und Novi Sad (2021) oder Veszprem (2023) kleine Perlen des Habsburgerreichs zu entdecken. Keine dieser Städte ist von Wien weiter entfernt als der Arlberg.

Und wenn Österreich 2024 wieder eine Kulturhauptstadt ernennen darf, dann werden es nach den Fastgroßstädten Graz 2003 und Linz 2009 Dornbirn, St. Pölten oder Bad Ischl sein, die mit großen Ideen und kleineren Veranstaltungen um Besucher buhlen. Vielleicht ein Anlass, einmal das eigene Land besser kennenzulernen? (Eric Frey, 18.5.2019)