Auch das faltbare Huawei Mate X hätte mit Android erscheinen sollen. Nun ist komplett unklar, wie es weitergeht.

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Der Softwarehersteller Google stellte Teile seiner Geschäftsbeziehungen zum Netzwerkausrüster Huawei ein, nachdem die US-Regierung den chinesischen Konzern auf eine schwarze Liste gesetzt hatte. Betroffen sei sowohl der Transfer von Hardware als auch von Programmen, berichtete zunächst eine mit dem Vorgang vertraute Person am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Wenige Stunden später bestätigte der Android-Hersteller den Bericht.

Konsequenzen

In einer Stellungnahme heißt es, dass sich Google mit diesem Schritt an die Anordnungen des US-Handelsministeriums halten werde. Derzeit sei man allerdings noch dabei, die konkreten Auswirkungen genau zu untersuchen, weswegen man vorerst noch nicht ins Details gehen könne. Allerdings verweist man darauf, dass der Play Store und die Sicherheitsfunktionen von Google Play Protect auf bestehenden Geräten weiter funktionieren werden.

Für neue Geräte sieht es hingegen anders aus: Diese verlieren sowohl komplett den Zugang zum Play Store als auch zu den großen Anwendungen des Unternehmens. Dies beinhaltet etwa Gmail, aber auch Google Maps, die Google-Suche oder Youtube. Huawei darf also künftig keine neuen Geräte mehr mit diesen Komponenten ausliefern. Das betrifft nicht zuletzt Huaweis erstes faltbares Smartphone, Mate X, das in den kommenden Wochen auf den Markt hätte kommen sollen.

AOSP bleibt

Der Zugriff von Huawei auf Android-Bestandteile soll sich damit künftig auf die im Quellcode verfügbaren Bestandteile des Betriebssystems beschränken – das Android Open Source Project (AOSP). Diesem fehlen aber neben den Google-Apps auch wichtige Infrastrukturdienste, allen voran die Google Play Services, die von einem großen Teil aller Android-Apps benötigt werden. Auch die Vorabinformation über Sicherheitslücken und neue Android-Generationen, die Google-Partner erhalten, entfallen damit.

Offene Fragen

Befürchtungen, dass all dies negative Auswirkungen auf die Auslieferung von Systemupdates haben könnte, widerspricht Huawei Deutschland in einem Statement gegenüber Winfuture. In diesem versichert man, dass bestehende Geräte weiterhin Sicherheitsupdates erhalten sollen. Dies betreffe sowohl bereits verkaufte als auch lagerhaltige Geräte. Zudem versichert das Unternehmen, dass man weiter daran arbeiten werde, "ein sicheres und zukunftsfähiges Software-Ecosystem zu entwickeln, um die bestmögliche Nutzererfahrung weltweit zu bieten". Wirklich konkret wird man hier also auch nicht. So bleibt auch hier unklar, was das für größere Updates jenseits von Sicherheitsaktualisierungen bedeutet.

Analyse

Trotzdem dürfte ein Verlust der Android-Lizenz Huawei schwer treffen. Während man in China seine Geräte ohnehin ohne Google-Dienste ausliefert – der Android-Hersteller ist in dem Land nicht aktiv –, erwarten die Konsumenten in anderen Ländern, dass Google-Apps und -Services vorinstalliert sind. Bisher ist es lediglich Amazon gelungen, eine Google-freie Android-Version zu einem gewissen Erfolg zu verhelfen – und das auch nur auf den Fire-Tablets, die vor allem als kostengünstiger Verbreitungskanal für Amazon-Inhalte fungieren. Im Smartphone-Bereich ist der Onlinehändler mit ähnlichen Ambitionen hingegen geradezu spektakulär gescheitert.

Eine andere Alternative wäre die Nutzung eines komplett anderen Betriebssystems. Dass Huawei an einem solchen im Geheimen als eine Art "Plan B" arbeitet, war in den vergangenen Jahren immer wieder zu hören. Dieser Weg hätte freilich den Nachteil, der auch den Aufstieg aller anderen neuen Betriebssysteme in diesem Bereich zum Scheitern gebracht hat: Ein zu Android auch nur ansatzweise vergleichbares App-Angebot könnte man damit nicht liefern.

Bei Google dürfte man über diese Entwicklung kaum glücklicher sein. Immerhin hat das Unternehmen bisher viel Wert darauf gelegt, die Android-Welt über die eigenen Lizenzverträge und den Play Store vereint zu halten. Hier jetzt einen Riesen wie Huawei zu verlieren wäre ein grober Rückschlag.

Chinesische Reaktion

Vonseiten der chinesischen Regierung zeigt man sich in einer ersten Reaktion unerwartet zurückhaltend. In einem Statement auf dem chinesischen Portal Sina heißt es, dass man eine offizielle Bestätigung von Google einholen wolle. Gleichzeitig betont man, dass die Regierung natürlich chinesischen Unternehmen dabei helfen wolle, ihre legitimen Rechte zu verteidigen. Diese vergleichsweise sanften Formulierungen sind deswegen überraschend, da China einige Hebel hätte, um prominenten US-Unternehmen zu schaden, werden doch zum Beispiel das iPhone und viele andere Smartphones primär in China gefertigt.

Huawei ist damit der zweite große chinesische Hersteller, der sich einer solchen Gefahr ausgesetzt sieht. Bereits im Vorjahr hieß es kurzfristig, dass ZTE die Android-Lizenz verlieren könnte. Zuvor wurde das Unternehmen wegen Sanktionsverstößen ebenfalls vom Zugriff auf US-Technologien ausgeschlossen. Beides in Kombination wäre praktisch ein Todesstoß für ZTE gewesen, da man international von Chipherstellern wie Qualcomm abhängig ist. Schlussendlich konnte in diesem Fall aber der Streit beigelegt werden.

Marktsituation

Huawei ist aktuell hinter Samsung der zweitgrößte Hersteller auf dem Smartphone-Markt. Angesichts aktueller Trends war aber davon auszugehen, dass das Unternehmen noch heuer oder spätestens nächstes Jahr die Spitzenposition einnehmen könnte. In Hardwarefragen ist Huawei deutlich weniger abhängig von US-Technologien als andere Hersteller, da man eigene Prozessoren herstellt.

Vorgeschichte

Hinter den Maßnahmen gegen Huawei steht ein stetig eskalierender Handelsstreit zwischen den USA und China, in dessen Zentrum zunehmend der chinesische Hardwarehersteller gerückt ist. Die USA werfen Huawei dabei vor, die eigene Rolle als Netzwerkausrüster zu nutzen, um westliche Mobilfunknetze auszuspionieren. Zudem betrachtet man Huawei als einen Arm der chinesischen Regierung und nicht als unabhängiges Unternehmen. Huawei weist all diese Vorwürfe entschieden zurück. (Andreas Proschofsky, 19.5.2019)