Politikwissenschafterin Gundula Ludwig im Gastkommentar über die unverhohlene Macho-Männlichkeit, die in der aktuellen Regierungskrise zur Schau gestellt wird.

Das "Ibiza-Gate" führt nicht nur Heinz-Christian Straches Verständnis von Politik und seine Machtmissbrauchsfantasien vor. Es demaskiert auch den Sexismus des rechtspopulistischen "Sittengemäldes" à la Strache. Die in dem Video festgehaltene Körpersprache bringt unverhohlen eine Männlichkeit zum Ausdruck, die Strache selbst nicht anders als "typisch alkoholbedingtes Machogehabe" bezeichnen konnte. Johann Gudenus mimt in seiner Pistolenpose den starken, militärischen Mann, Straches Kommentare über das Aussehen der Verhandlungspartnerin und die Bezeichnung von Journalistinnen und Journalisten als die "größten Huren" sind an derbem Sexismus kaum zu überbieten.

Was Wladimir Putin mit seiner Inszenierung mit nacktem Oberkörper und Donald Trump mit frauenverachtenden Kommentaren geliefert haben, gibt es nun auch von Österreichs ehemaligem Vizekanzler in Bild und Ton: die Darbietung einer unverhohlenen althergebrachten Macho-Männlichkeit. Dass Strache zudem in dem Video vorgibt, Geschichten über sexuelle Affären von politischen Gegnern zu kennen, zeigt, dass er ein weiteres Element sexistischer wie rassistischer Rhetorik zu bedienen weiß: Mutmaßungen über vermeintlich abweichende Sexualität als Mittel der Diffamierung.

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Russlands Präsident Wladimir Putin in Macho-Pose – auf vom Kreml veröffentlichten Fotos.
Foto: AP/Kremel/Alexei Druzhinin

Strache, das Opfer

Ganz anders stellte sich Straches Männlichkeitsinszenierung dar, als er am Samstag vor die Presse trat. Im Versuch, sich in Krawatte und Anzug noch einmal staatsmännisch zu geben, musste er die Ibiza-Bilder kontrastieren: Strache nutzte seine Position als Ehemann und Familienvater, um sich als Staatsmann darzustellen. Seine Selbsterklärung leitet er mit der Entschuldigung "bei der wichtigsten Person" in seinem Leben, seiner Frau, ein. Dass er bei diesem Auftritt von zwei Ministerinnen gesäumt wurde, unterstrich die Vaterinszenierung als Anleihe an die Figur der Familie, um den Schaden abzuwenden.

Zugleich lässt sich in seinem Versuch einer Erklärung die Fortführung eines bekannten wie problematischen Topos finden: Strache machte den Ibiza-Abend zu einer "b'soffenen G'schicht" und enthob sich so seiner Verantwortung. Diese Drehung fügt sich ein in den generellen Duktus der Presseerklärung, der zufolge Strache sich primär als Opfer (eines gezielten "politischen Attentats") darstellte. Dies steht in einer langen patriarchalen Tradition von Erklärungen: Anstatt Verantwortung zu übernehmen, wird diese in Alkohol oder anderen äußeren Einflüssen aufgelöst. Straches Verhalten wird so zum "dummen Fehler". In seinem Verweis, er habe sich "prahlerisch wie ein Teenager verhalten", reaktivierte Strache zudem einen weiteren maskulinistischen Erklärungsmodus: Sexistische Männlichkeit wird als akzeptables und normales Verhalten jugendlicher, noch nicht zur Gänze gereifter Männlichkeitsentwicklung dargestellt. Dieses Narrativ setzte auch Strache ein, um sein Missverhalten als Politiker zu legitimieren.

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Strache bei der Ankündigung seines Rücktritts nach einem kompromittierenden Video.
Foto: AP/Michael Gruber

Kurz, der Vater

Als sich nach vielen Stunden endlich der Bundeskanzler zu Wort meldete, bediente auch er eine patriarchale Figur: Kurz inszeniert sich in seiner Rede – einmal mehr – als Messias, wie auch die Politikwissenschafterin Natascha Strobl im Falter analysierte. Die Erklärung von Samstagabend ist keine Rede eines Staatspolitikers, der eine Regierungskrise zu bearbeiten trachtet, sondern vermittelt ein Heilsversprechen. Kurz changiert geschickt zwischen einem hergestellten Wir zur Bevölkerung und dem Versprechen, als dessen Anführer diese erneut zu retten. Bereits vor der Nationalratswahl 2017 war es Kurz gelungen, seine langjährige Tätigkeit als Regierungsmitglied abzuspalten, um sich als Erneuerer inszenieren zu können. Auf diese messianische Retterfigur scheint er nun auch im eben losgebrochenen Wahlkampf zu setzen. Freilich weit entfernt von Straches "alkoholbedingtem Machogehabe" spielt so auch Kurz auf der Klaviatur patriarchaler Männlichkeit: auf jener des Retters.

Nicht aber sachliche Auseinandersetzung und Aufarbeitung soll die Bevölkerung zur Rettung führen, sondern die emotionale Versicherung, dass alles gut werde. Kurz als Paterfamilias. Dass Kurz es offenbar auch zum Zeitpunkt einer profunden Regierungskrise als unnötig erachtet, mit der Opposition ins Gespräch zu kommen, fügt sich ein in diese Inszenierung des patriarchalen Retters mit Alleinanspruch.

Kanzler Kurz kündigte am Samstagabend Neuwahlen an – und präsentierte sich dabei nicht als Staatspolitiker, sondern als messianische Retterfigur.
Foto: APA / Roland Schlager

Ruf nach "Staatsmann"

Obwohl seit Freitag die vielfach beschworene Harmonie zwischen ÖVP und FPÖ Geschichte ist, eint die beiden weiterhin, dass sie in ihren rechtspopulistischen Projekten auf autoritäre Männlichkeitsfiguren setzen. Dies gilt es nicht zuletzt deshalb herauszustreichen, da für die eben zerbrochene Koalition die Erzählung über den rückständigen migrantischen Mann mit vermeintlich traditionellen Geschlechterbildern ein zentrales Element darstellte: Damit wurde die türkis-blaue Politik der Angst befeuert, und sie diente zur Legitimation für die Verschärfung von Sicherheitspolitiken und diskriminierenden Politiken wie jüngst das Kopftuchverbot in Volksschulen.

Der Ruf nach einem "Staatsmann" Kurz, den Österreich nun brauche, um die Krise zu überwinden, ist daher ebenso verkürzt wie der Diskurs problematisch, der Straches Verhalten auf der Basis der von ihm angebotenen Erklärungen entschuldbar macht. Vielmehr gilt es darüber nachzudenken, wie eine Politik jenseits von autoritären maskulinen Narrativen zu einer Überwindung der gegenwärtigen Krise der Demokratie beitragen kann. (Gundula Ludwig, 21.5.2019)