Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus erzählten im Sommer 2017 auf Ibiza ganz offen, wie sie sich die Vergabe von öffentlichen Aufträgen vorstellen würden. Die Strabag solle nichts bekommen, die vermeintliche russische Oligarchennichte dafür möglichst viel.

Foto: screenshot

Eines kann man in der Causa Ibiza-Gate nicht sagen: dass die Justiz nicht sofort eingeschaltet worden wäre. Noch am Freitagabend, also nur wenige Stunden nachdem "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel" das mittlerweile von halb Österreich gesehene Video online gestellt hatten, wurde die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien vom Generalsekretär des Justizministeriums Christian Pilnacek mit einer Prüfung beauftragt. Zu sehen ist auf dem Video, wie Heinz-Christian Strache im Juli 2017 öffentliche Aufträge im Gegenzug für Parteispenden in Aussicht stellt.

Noch kein Anfangsverdacht

Bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag prüfte die OStA im Zuge einer "Medienrecherche" das veröffentlichte Video. Auf dieser Basis allein könne man aber noch nicht abschließend sagen, ob es einen ausreichenden Anfangsverdacht gibt, heißt es. Das bedeutet aber noch nicht, dass die juristische Aufarbeitung schon wieder vorbei wäre.

Nun wurde die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beauftragt, "sämtliche verfügbare Informationen zusammenzutragen". Gemeint ist damit in erster Linie das gesamte Videomaterial – das Treffen von Strache, Johann Gudenus und der vermeintlichen russischen Oligarchennichte soll ja mehr als sechs Stunden gedauert haben.

Was die Sache für die Justiz aber erschwert: Die deutschen Medien haben angekündigt, zum Schutz ihrer Quellen das ungeschnittene Video nicht auszuhändigen. Möglich wäre aber auch, dass die Medien das Material nicht physisch zur Verfügung stellen, einem Staatsanwalt aber die Gelegenheit geben, alles anzusehen (dabei aber die Lockvögel verpixeln) oder zumindest anzuhören. In diese Richtung werden jetzt wohl die Bestrebungen der WKStA gehen, meint ein Justizkenner.

"Vorteilsnahme zur Beeinflussung"

Bekommt die Staatsanwaltschaft keinerlei weitere Informationen, wird die strafrechtliche Verfolgung jedenfalls nicht einfacher. Infrage käme vor allem Paragraf 306 des Strafgesetzbuches, also "Vorteilsnahme zur Beeinflussung", sagte der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer zum STANDARD. Diese Vorteilsnahme liegt dann vor, wenn ein Amtsträger "mit dem Vorsatz, sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert oder einen ungebührlichen Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt".

Amtsträger waren Strache und Gudenus jedenfalls. Die juristische Streitfrage ist nun, ob es nur dann strafbar ist, wenn man als Amtsträger auch unmittelbar Einfluss auf Vergaben nehmen kann oder ob es ausreicht, in einer noch ungewissen Zukunft Einflussnahme in Aussicht zu stellen. Strache war ja im Sommer 2017 nur Nationalratsabgeordneter, Gudenus nicht amtsführender Stadtrat und Wiener Vizebürgermeister. Erst im Dezember 2017 kam die FPÖ dann in die Bundesregierung.

Mehrere Experten, die anonym bleiben wollten, waren in den vergangenen Tagen eher der Meinung, dass Straches und Gudenus' Aussagen wohl zu unkonkret waren. Schwaighofer meint hingegen, der Wortlaut des Gesetzes ließe sich auch so lesen, dass auch zukünftige, noch nicht konkretisierte Amtsgeschäfte vom Straftatbestand erfasst sind. Aber auch er betont: Der Vorwurf, Strache habe einen Vorteil "gefordert", sei "sehr dünn". Zusatz des Professors: Es gibt kein vergleichbares Verfahren.

Fall Strasser lag anders

Der Fall des Ernst Strasser, der 2011 britischen Journalisten auf den Leim ging und diesen in geheim aufgezeichneten Gesprächen für Geld Änderungen in geplanten EU-Richtlinien in Aussicht stellte, lag jedenfalls etwas anders. Strasser, der dafür auch verurteilt wurde, kündigte ein konkretes Verhalten an und wäre zur Einflussnahme im EU-Parlament auch in der Lage gewesen.

Jedenfalls kein strafrechtliches Problem sind die Aufforderungen Straches, die vermeintliche Russin möge doch Spenden an einen gemeinnützigen Verein überweisen, um sie der Kontrolle des Rechnungshofs zu entziehen. Der einfache Grund: Selbst wenn es einen Verstoß gegen das Parteienfinanzierungsgesetz gegeben hätte, wäre das nur ein verwaltungsrechtliches Vergehen.

Den Worten folgten Taten

Seit Sonntagabend gibt es aber noch eine weitere kuriose Entwicklung. Laut "SZ" und "Spiegel" ließ die FPÖ ihrer Annäherung an die "russische Oligarchen-Nichte" in Bezug auf Strabag-Eigentümer Hans Peter Haselsteiner auch Taten folgen. Strache hatte ja gemeint, im Falle einer Regierungsbeteiligung würden keine Staatsaufträge mehr an Haselsteiner bzw. die Strabag gehen, stattdessen soll die vermeintliche Russin zum Zug kommen.

Bei einem Treffen im August 2017 forderte ihr "Vertrauensmann" als "Geste des guten Willens" eine Pressemitteilung via Originaltextservice (OTS) gegen den Industriellen – und die FPÖ folgte tatsächlich. Sie schrieb am 4. September, "der politisch höchst aktive Milliardär Hans Peter Haselsteiner soll seine offenbar scheckheftgepflegten Polit-Netzwerke offenlegen". Aussender des Textes war der damalige Leiter der FPÖ-Pressestelle Wien, Toni Mahdalik.

"Wunderschönes Beweismittel"

Die Aussendung an sich stellt nach Juristeneinschätzung kein Vergehen dar. Allerdings: Sollte es zu einer Anklage kommen, wäre sie ein "wunderschönes Beweismittel", wie ein Strafrechtsexperte sagt.

Was sich im Netz viele Menschen fragen: Müsste die Staatsanwaltschaft nicht Hausdurchsuchungen durchführen, um in der FPÖ oder bei verdächtigen Vereinen möglicherweise belastendes Material sicherzustellen? Für einen derart schweren Grundrechtseingriff brauche es schon eine sehr konkrete Verdachtslage, sagt Schwaighofer. Zum aktuellen Zeitpunkt wäre ein solcher Schritt daher nicht verhältnismäßig.

Haselsteiner will nun, wie berichtet, alle Vergabeverfahren prüfen, bei denen die Strabag nicht zum Zug kam. Wie er die Angelegenheit nun sieht, da er die OTS kennt? Der frühere Konzernchef und Westbahn-Miteigner bleibt gelassen. Es sei ihm egal, "was der rechte braune Zwerg von links rülpst".

Wer vernadert?

Eines beschäftige ihn aber schon, jetzt, da er das Video mit den Aussagen Straches über ihn bzw. die Strabag kenne: "Ich frage mich, woher die Anwürfe und Anzeigen und Verdächtigungen kommen, die in den vergangenen Jahren gegen mich kamen. Wer hat mich in Ungarn mit welchen politischen Absichten vernadert?", fragt er in Bezugnahme auf strafrechtliche Ermittlungen, die einst rund um Strabag-Aufträge geführt und dann eingestellt wurden. (Günther Oswald, Renate Graber, 21.5.2019)