Sogenannte MEK-Inhibitoren gehören zu den wichtigsten Medikamenten der zielgerichteten Krebstherapie, zum Beispiel bei Lungenkrebs, nicht aber bei Darmkrebs. Laut deutschen Wissenschaftern können sie bei Darmkrebs das Überleben von Karzinom-Stammzellen begünstigen und damit eine Therapieresistenz begünstigen, teilte das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) mit.

Die fördernde Wirkung betrifft offenbar den sogenannten Wnt-Sginalweg in Zellen. Über die biochemischen Reaktionen reagieren Zellen auf äußere Einflüsse. Wnt-Signale koordinieren die Entwicklung des frühen Embryos, spielen aber auch bei vielen krankhaften Prozessen und bei Krebs eine Rolle.

Gleichgewicht zwischen Zellen

Gingen Forscher zunächst davon aus, ein übermäßig aktivierter Wnt-Signalweg stehe in erster Linie mit der Entstehung von Krebs im Zusammenhang, so belegen neuere Ergebnisse, dass Wnt-Aktivität auch die Krebsstammzellen beeinflusst: "Wnt-Signale wirken sowohl im gesunden Darm als auch bei Darmkrebs auf das Gleichgewicht zwischen Zellen mit Stammzell-Eigenschaften und differenzierten Zellen", wurde Michael Boutros vom DKFZ in einer Aussendung zitiert.

In Darmkrebs-Stammzellen ist der Wnt-Signalweg besonders aktiv und dafür verantwortlich, die Stammzell-Eigenschaften aufrecht zu erhalten. Abhängig von der Wnt-Aktivität können die Krebszellen zwischen Stammzell-Zustand und einem differenzierten Zustand hin- und herwechseln. Das spielt für den Behandlungserfolg eine entscheidende Rolle: Krebsstammzellen gelten als verantwortlich für Rückfälle nach zunächst erfolgreicher Therapie. Während die "normalen" Krebszellen durch die Medikamente zumeist ausgeschaltet werden, überleben die Stammzellen und stellen ein Reservoir für ein späteres Wiederauftreten der Karzinomerkrankung dar.

Drosseln und anfeuern

Einen die Wnt-Aktivität fördernden Effekt können offenbar auch Krebsmedikamente selbst entfalten. Viele Tumoren werden durch Mutationen im wachstumsfördernden Ras-Signalweg angefeuert. Diese überaktiven Ras-Signale lassen sich durch sogenannte MEK-Inhibitoren gezielt drosseln. Bei Darmkrebs wirken diese Medikamente jedoch nicht, die neuen Ergebnisse liefern eine mögliche Erklärung dafür: Sie zeigten sowohl an Mäusen als auch an Organoiden (dreidimensionale Zellkulturen), die aus Tumorzellen von Darmkrebspatienten gezüchtet wurden, dass MEK-Inhibitoren die Wnt-Aktivität verstärken.

Gleichzeitig änderte sich die Genaktivität der Krebszellen hin zu einem stammzelltypischen Muster. Die MEK-Inhibitoren drosseln offenbar zwar die Teilungsrate der Darmtumoren, doch gleichzeitig reichern sich Krebsstammzellen in den Darmkrebs-Organoiden an. "Das entspricht genau dem Bild der "schlafenden Krebsstammzellen", die seit einigen Jahren bei vielen Krebsarten beschrieben worden sind", erklärte dazu Tianzuo Zhan, Erstautor der Studie. "Diese Zellen überleben die Therapie und sind anschließend für den Rückfall verantwortlich." (APA, 21.5.2019)