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Marine Le Pens Wunsch, er möge sich im Hintergrund halten, war Steve Bannon nicht Befehl.

Foto: Reuters / Pascal Rossignol

Die Suite im Pariser Luxushotel Bristol ist ihm vielleicht ein Trost. Oder auch ein goldener Käfig. Manchmal empfängt Steve Bannon noch Journalisten. Ansonsten hat er Zeit, über die Unterschiede zwischen amerikanischer und europäischer Politik zu sinnieren. Über den Atlantik gekommen war der Ex-Berater von US-Präsident Donald Trump, um "einen Pfahl ins Herz Europas zu stoßen".

Nach seiner vielbeachteten Ankunft auf dem Alten Kontinent scheint der 65-jährige Amerikaner aber eher zur ernüchternden Einsicht zu gelangen, dass sich die Nationalisten aller EU-Staaten nicht so einfach zu einer einheitliche – und schon gar nicht einer US-amerikanischen – Bewegung versammeln lassen. Bannons Brüsseler Stiftung The Movement kommt so wenig vom Fleck wie seine "jüdisch-christliche" Akademie in Italien. Also ist der frühere Goldman-Sachs-Banker und Breitbart-Chefredakteur nach Paris umgezogen, wo seiner Darstellung nach der wichtigste Schauplatz der Europawahl liegt: An der Seine werde Marine Le Pen, diese "Heldin der Moderne", den "Europäisten" Emmanuel Macron Anstand lehren und mit seiner, Bannons, Hilfe ein politisches "Erdbeben" auslösen.

"Scheitern eines US-Populisten"

Nur: Le Pen will Bannons Hilfe gar nicht. Zumindest nicht öffentlich. "Er spielt keine Rolle in meiner Kampagne. Nach Paris ist er nur gekommen, um eines seiner Geschäfte einer französischen Großbank zu verkaufen", meinte die Anführerin des Rassemblement National (RN) am Wochenende. Nicht sie renne dem US-Populisten nach, ironisierte sie weiter, sondern die Pariser Medienzunft. Diese schreibt allerdings, Bannon verkörpere als "Trumps trojanisches Pferd in Europa" das "Scheitern eines US-Populisten in Europa".

Wenn Le Pen so deutlich auf Distanz zu ihrem US-Gesinnungsgenossen geht, den sie noch beim RN-Kongress von 2018 wie einen Star empfangen hatte, dann antwortet sie damit auch auf die Vorwürfe ihrer politischen Gegner, sie unterwerfe sich ausländischen Rat- und Geldgebern. In einer TV-Reportage waren zwei RN-Manager – einer ist Le Pens Lebenspartner Louis Aliot – dabei gefilmt worden, wie ihnen Bannon eine Parteifinanzierung anbot.

Russische Gelder

Nachdem Le Pen bei früheren Wahlkampagnen schon russische Gelder angenommen hatte, muss sie sich nun gegen den Vorwurf verteidigen, sie sei von Mächten abhängig, die gegen europäische und damit französische Interessen agierten. Einzelne Abgeordnete unterstellen Le Pen "Landesverrat" und verlangen eine Parlamentskommission über ihre "fremden" Geldgeber. Auch Präsident Emmanuel Macron haut nun in diese Kerbe: Am Dienstag erklärte er in einem Interview implizit, Le Pen stehe unter dem Einfluss von "Russen" sowie "US-Lobbyisten wie Herrn Bannon".

Le Pen erklärt seit Tagen in jedem Interview, sie brauche "keinen US-Rat, um zu entscheiden, wie Europa zu reformieren ist". Die Rechtspopulistin tut sich schon schwer genug, die "österreichische Affäre" – gemeint ist die FPÖ-Affäre – fernzuhalten. Erst nach Kritik an ihrem Schweigen bezeichnete sie das Verhalten ihrer politischen Partner in Wien als "schweren Fehler".

In den Meinungsumfragen hatte Le Pen bisher mit Macrons Liste gleichgezogen oder sie sogar leicht überholt. Ihre politische Nähe zu wenig salonfähigen Kreisen in Washington, Moskau oder Wien könnte sie aber wertvolle Stimmen kosten. Bannon ist für sie keine Trumpfkarte mehr, sondern eine Hypothek. Das Gleiche gilt auch für andere europäische Populisten: Bei ihrer Mailänder Sause am vergangenen Wochenende war Bannon nicht dabei – weil offenbar nicht willkommen. Le Figaro spekuliert schon darüber, ob Bannon nach den Europawahlen wieder die Koffer packen werde, um in die USA zurückzukehren. (Stefan Brändle aus Paris, 22.5.2019)