Mehrere dieser Porträts wurden zum Rechtsextremen-Angriffsziel. Die Schau "Gegen das Vergessen" läuft in Wien bis 31. Mai.

Foto: Imago/Xinhua

Wien – Der Hakenkreuz-Schmierer sei am Dienstag am frühen Abend gekommen, schildert der Fotograf Luigi Toscano dem STANDARD am Telefon. Sein Mitarbeiter, der für die bis 31. Mai in Wien am Burgring beim Heldenplatz ausgestellte Schau von rund hundert Porträtbildern NS-Überlebender verantwortlich ist, habe sich gerade einen Kaffee geholt.

"Als er zurückkam, bemerkte er die Hakenkreuze und antisemitischen Inschriften auf mehreren Bildern und auf einer Erklärungstafel. Und er sah einen Mann, der durch den Volksgarten davonlief", sagt Toscano.

Mit einem schwarzen Filzstift

Mit einem schwarzen, breiten Filzstift habe der Unbekannte mit dem Nazisymbol die abgelichteten Gesichter der Menschen verunstaltet. "Diese Menschen haben etwas unfassbar Schlimmes erlebt und den Mut gehabt, das öffentlich zu machen. Mir zerreißt es das Herz", sagt der deutsch-italienische Künstler.

Ziel der Zerstörungsaktion waren ausschließlich Fotos jüdischer NS-Überlebender, obwohl die Ausstellung etwa ebenso Bilder von Roma und Sinti sowie russischer Exkriegsgefangener zeigt: "Wohl kein Zufall", meint Toscano, der sich durchaus Zusammenhänge mit der aufgewühlten politischen Stimmung nach dem Ende von Türkis-Blau vorstellen kann.

"Angriff auf alle Österreicher"

Am Mittwoch meldete sich der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, zu Wort: "Ich sehe, da ist ein Angriff auf Zeitzeugen. Ich sehe, da ist ein Angriff auf das Gedenken. Ich sehe das als Angriff auf Juden und Jüdinnen. Ich sehe das als einen Angriff auf alle Österreicher", sagte er.

Vor Wien war Toscanos Ausstellung Gegen das Vergessen in einem Dutzend anderer Städte zu sehen: in der Ukraine, in den USA, in Deutschland. Feindliche Aktionen fanden außer in Wien nirgends statt. "Dabei waren auch diese Orte frei zugänglich. In Berlin standen die Fotos zum Beispiel in einer Allee in Charlottenburg, in San Francisco auf der Civic Center Plaza", sagt der Fotograf.

Nicht der erste Zwischenfall

In Wien hingegen gab es bereits zwei Tage nach der Eröffnung der unter dem Ehrenschutz des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen stehenden Schau einen Zwischenfall. Mehrere Fotos wurden mit einem Stanleymesser zerschnitten.

Die dahinterliegende Absicht, so Toscano, sei dabei aber "nicht so eindeutig politisch wie jetzt" gewesen. Daher habe man sich nicht an die Öffentlichkeit gewandt, sondern sich darauf beschränkt, die Fotos zu erneuern und bei der Polizei Anzeige zu erstatten.

Polizei ersucht um Hinweise

Zur Polizei gingen Toscanos Mann in Wien und die Ausstellungsorganisatoren vom Psychosozialen Zentrum Esra auch diesmal. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung führe "Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz und wegen Verdachts auf Sachbeschädigung", hieß es dort am Mittwoch. Um des Täters habhaft zu werden, werte man Videoaufzeichnungen "im unmittelbaren Umkreis" aus – und nehme sachdienliche Hinweise entgegen. Den polizeilichen Streifendienst habe man verstärkt. (Irene Brickner, 22.5.2019)