STANDARD: Der zurückgetretene Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat in dem Ibiza-Video recht anschaulich erklärt, wie man Spenden am Rechnungshof vorbeischummeln kann. Hat Sie das erschreckt?

Kraker: Das Video hat jeden in Österreich erschreckt. Dass der Rechnungshof explizit erwähnt wurde, hatte noch eine besondere Note.

"Nur wenn ich die Spender kenne, kann ich die Unterstützer erkennen: Das ist entscheidend, wenn es um die Vergabe öffentlicher Aufträge geht", sagt Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker.
Foto: Der Standard/Hendrich

STANDARD: Kurz nach Bekanntwerden des Videos haben Sie von der FPÖ Aufklärung verlangt. Der designierte Parteichef Norbert Hofer will die Parteifinanzen einer externen Finanzprüfung unterziehen und Spenden anonym veröffentlichen. Reicht das?

Kraker: Nein, wir brauchen volle Transparenz und echte Kontrolle der Parteienfinanzen. Dazu habe ich fünf Punkte ausgearbeitet: Wenn das Thema so virulent ist, dass es zu einer Regierungskrise führt, müssen wir die richtigen Lehren daraus ziehen. Es darf nicht sein, dass etwas nicht dem Rechnungshof gemeldet und uns Spenden vorenthalten werden.

STANDARD: Was sind Ihre Vorschläge?

Kraker: Wir brauchen echte Prüfrechte für den Rechnungshof, ich verlange wirksame und strenge Regeln. Alles, was indirekt an Parteien geht, soll miterfasst werden. Parteinahe Organisationen wie Vereine, die auch Leistungen für sie erbringen, sollen auch direkt an den Rechnungshof melden müssen – und vor allem ihre Spender offenlegen. Die Berichte zur Wahlkampfkostenfinanzierung müssen früher kommen, sie sollen bereits drei Monate nach dem Wahltag dem Rechnungshof zur Prüfung vorgelegt werden. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu wissen, was ausgegeben wurde. Der Rechnungshof soll nicht nur prüfen können, sondern auch Sanktionen aussprechen. Sie sollen generalpräventiven Charakter haben.

STANDARD: Derzeit sind Vereine ein Schlupfloch, das beschreibt ja auch Strache. Muss auch das Vereinsgesetz adaptiert werden?

Kraker: Es braucht klare Spielregeln für Vereine und Vereinsorgane für den Fall, dass sie mit Parteien zusammenarbeiten. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu handeln und nicht nur das Thema auszusitzen.

"Das Risiko muss auch für die Parteien so groß sein, dass sie erst gar nicht gegen diese Vorgaben verstoßen."
Foto: Der Standard/Hendrich

STANDARD: Was meinen Sie konkret?

Kraker: Wenn an einen Verein gespendet wird, wissen wir nicht wirklich, wer die Spender sind. Das darf nicht zulässig sein, der Verein soll direkt an uns melden. Bei Missachtung gibt es natürlich Sanktionen. Nur wenn ich die Spender kenne, kann ich die Unterstützer erkennen: Das ist entscheidend, wenn es um die Vergabe öffentlicher Aufträge geht.

STANDARD: Welche Sanktionen stellen Sie sich vor?

Kraker: Die Sanktionen soll der Rechnungshof verhängen. Wenn Spenden nach dem Parteiengesetz nicht zulässig sind, gilt das dann auch für diese Vereine. Derzeit sind wir nur die über Rechenschaftsberichte eingebunden, dürfen aber nicht selbst prüfen. Wenn wir Prüfungen haben, muss man auch noch den nächsten Schritt gehen und Sanktionen aussprechen können, denn jene durch den Parteien- und Transparenzsenat kommen zu spät und reichen nicht aus.

STANDARD: Inwiefern?

Kraker: Derzeit gibt es nicht einmal Sanktionen, wenn eine Partei keinen Rechenschaftsbericht vorlegt – das geht gar nicht! Wenn wir Sanktionen aussprechen und es Meinungsverschiedenheiten mit der Partei über die Höhe der Strafe oder ob das zu Recht verhängt wird gibt, könnte man noch den Verfassungsgerichtshof einschalten.

STANDARD: Wie sollen die Sanktionen ausgestaltet sein?

Kraker: Geldbußen, Strafzahlungen, Rückzahlungen: Über die Strafhöhen muss sich das Parlament Gedanken machen. Immerhin ist es im eigenen Interesse der Parteien, dass sie sich faire Regeln geben und sich daran halten. Dabei sollen sie auch definieren, wie man mit öffentlicher Parteienförderung umgeht, was zweckmäßig ist und was Parteien eigentlich brauchen.

STANDARD: Warum sollen die Strafzahlungen besser wirken als jene, die bereits verhängt werden können?

Kraker: Das Risiko muss auch für die Parteien so groß sein, dass sie erst gar nicht gegen diese Vorgaben verstoßen: Sonst droht Ärger mit dem Rechnungshof.

STANDARD: Soll es auch strafrechtliche Konsequenzen geben?

Kraker: Im Parteiengesetz soll definiert werden, was zulässig und was unzulässig ist. Wenn es in den illegalen Bereich geht, etwa im Vereinsbereich, soll es auch strafrechtliche Folgen haben.

STANDARD: Sie sehen das Parlament stärker gefragt. Welche Rolle soll es haben?

Kraker: Der Vollzug der Parteienförderung soll vom Bundeskanzleramt ins Parlament wandern. Dort können nähere Richtlinien erarbeitet werden, die im Parteiengesetz nur grob umrissen sind. Etwa auch Richtlinien für Social Media Aktivitäten, wofür die Parteien Geld ausgeben dürfen.

STANDARD: Soll es eine maximale Summe für Social-Media Ausgaben geben?

Kraker: Nicht nur das, auch die Frage, wo die Grenzen sind, ist relevant. Mein Verständnis ist, dass man sich fair verhält und keinen Wettbewerb mit unwürdigen Mitteln führt. Es entwickelt sich etwas Neues, gerade im Wahlkampf wird vermehrt auf Social-Media-Aktivitäten gesetzt. Da brauche ich Kriterien, wofür öffentliche Mittel verwendet werden dürfen. Man muss sich einen Rahmen geben und das Korsett enger schnüren.

STANDARD: Im Parlament gibt es nun das freie Spiel der Kräfte: 2008 hat das zu Beschlüssen in einer Sitzung geführt, die mehrere Milliarden Euro kosteten. Auch die Abschaffung des Pflegeregresses wurde 2017 in einer solchen Situation beschlossen. Besorgt Sie das?

Kraker: Die Sorge besteht immer. Man sollte das freie Spiel der Kräfte für Sinnvolles nützen, etwa für die Transparenz der Parteienförderung und der Parteienfinanzierung. Immerhin waren wir auch in dieser kurzen Regierungsperiode damit beschäftigt, zu fragen, was die Abschaffung des Pflegeregresses ausgelöst hat. Da wird punktuell etwas beschlossen, was populär ist, ohne die Gesamtsicht über das Pflegesystem zu haben. Das war nicht gescheit. (Marie-Theres Egyed, 23.5.2019)