Ein Schimpanse labt sich im Loango Nationalpark in Gabun an einer Schildkröte.

Foto: Erwan Theleste

Ein internationales Forscherteam hat in Gabun erstmals freilebende Schimpansen beim Fressen von Schildkröten beobachtet. Die Wissenschafter dokumentierten, wie die Affen Schildkröten gegen Baumstämme schlagen, um so die Panzer aufzubrechen und an das Schildkrötenfleisch zu gelangen.

Möglicherweise sei dies ein kulturelles Verhalten der Tiere, teilten die Universität Osnabrück und das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig mit. "Wir wissen bereits seit Jahrzehnten, dass der Speiseplan von Schimpansen viele verschiedene Tierarten beinhaltet, doch bisher wurden sie noch nicht beim Verzehr von Reptilien beobachtet", sagt Koautor Tobias Deschner. Besonders interessant sei, dass die Schimpansen zum "Knacken" der Schildkrötenpanzer eine Schlagtechnik anwendeten, die sie normalerweise zum Öffnen hartschaliger Früchte einsetzen.

Zum Knacken weitergereicht

Die Forscher beobachteten im Loango Nationalpark in Gabun zehn Schimpansen dabei, wie sie insgesamt 38 Schildkröten erbeuteten. Unter den Jägern waren vorwiegend erwachsene Männchen. Dieses Verhalten sei nur in der Trockenzeit beobachtet worden, in der auch andere Lieblingsspeisen wie etwa Früchte reichlich vorhanden seien, schreibt das Team im Journal "Scientific Reports".

"Manchmal konnten jüngere Tiere oder Weibchen die Schildkröte nicht selber aufbrechen. Sie gaben sie dann für gewöhnlich an ein stärkeres Männchen weiter, welches den Schildkrötenpanzer aufschlug und das Fleisch mit allen anderen anwesenden Schimpansen teilte", sagt Simone Pika, Erstautorin der Studie.

Delikatesse zum Frühstück

Ein erwachsenes Männchen hatte sich nach Beobachtung der Forscher sogar einen Teil seiner Schildkröten-Mahlzeit extra fürs Frühstück aufgehoben. Der Schimpanse fraß erst eine Hälfte des Fleisches in einem Baum sitzend und klemmte die andere Hälfte in eine Astgabel. Danach wechselte er den Baum zum Schlafen und kehrte am nächsten Morgen zurück, um die Reste seines Abendessens zum Frühstück zu verspeisen.

"Das deutet auch darauf hin, dass Schimpansen für die Zukunft planen können", sagte Pika. Die Fähigkeit, für einen in der Zukunft liegenden Zustand oder ein Bedürfnis wie etwa Hunger vorzuplanen, sei bisher meist nur bei Tieren in menschlicher Obhut belegt worden. "Unsere Ergebnisse deuten also darauf hin, dass wir auch nach jahrzehntelanger Forschung noch nicht die volle Komplexität der Intelligenz und Verhaltensflexibilität von Schimpansen erfasst haben." (red, APA 23.5.2019)