Mit einer flammenden Rede anlässlich der Wildgans-Preisverleihung hatte Daniel Kehlmann ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz zum Ende der Koalition mit der FPÖ aufgefordert. Zwei Tage später wurde das Ibiza-Video veröffentlicht.

Wien – Zwei Tage vor Bekanntwerden des Ibiza-Videos hatte Autor Daniel Kehlmann mit einer flammenden Rede anlässlich der Wildgans-Preisverleihung ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz zum Ende der Koalition mit der FPÖ aufgefordert – ein Wunsch, der bald darauf Wirklichkeit wurde. "Ich hatte keinerlei Hoffnung, dass irgendwas Derartiges passieren könnte", konstatiert Kehlmann nun gegenüber dem "Spiegel".

"Ich hatte das Gefühl, in einer fest betonierten Situation zu sprechen", so der 44-Jährige im aktuellen Interview mit dem deutschen Magazin, das gemeinsam mit der "Süddeutschen Zeitung" das Video veröffentlicht hatte. Auch wenn er in seiner Preisrede Kurz als "schweigenden Kanzler" attackiert hatte, sehe er die Sache ambivalent: "Kurz hat uns ja unter Umständen vor einem Kanzler Strache bewahrt. [...] Es bleibt bei mir trotz allem ein gewisser Rest von Anerkennung für Kurz dafür, dass er das verhindert hat. Aber er hat es eben auch verhindert zu einem Preis, den man eigentlich nicht zahlen sollte."

"Zurückhaltung nicht angebracht"

Er selbst habe lange geglaubt, als Schriftsteller nur durch das eigene Werk sprechen zu können: "Aber dann gibt es eben Momente, wo solch noble Zurückhaltung nicht mehr angebracht ist. Da wäre sie sowohl moralisch falsch als auch politisch gefährlich."

Dass er in seiner Rede vor der den Wildgans-Preis verleihenden Industriellenvereinigung eine Änderung der Politik auch mit dem Ansehen der Alpenrepublik begründet habe, sei allerdings dem Versuch geschuldet, die Zuhörerschaft zu erreichen: "Mir ist das Ansehen Österreichs in der Welt egal. Diese Art von Patriotismus ist mir fremd."

"Neandertalerpsyche"

Umso mehr erfreue er sich daran, was das Ibiza-Video mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus (beide FPÖ) enthülle: "Das ist ja das Tolle an dieser realen Inszenierung, dass sie all das trifft, was die Neandertalerpsyche dieser Burschenschaftler sich wünscht. Alkohol mit Red Bull, die Villa – so stellen die sich das tolle, große Leben vor."

Seit Antritt der Regierung Anfang 2018 haben österreichische Autoren beständig vor den Auswirkungen rechten Gedankenguts gemahnt. In öffentlichen Reden fanden Josef Winkler, Michael Köhlmeier, Maja Haderlap, Peter Turrini und zuletzt Daniel Kehlmann klare Worte. Nicht selten führten die Wortmeldungen zu verbalen Angriffen durch die FPÖ. (APA, 25.5.2019)