Kanzler Kurz muss sich nach den Strache-Videos, die zum Rücktritt des Vizekanzlers und Neuwahlen führten, wohl am Montag einem Misstrauensantrag stellen.

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Josef Christian Aigner bezeichnete ein Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz im Gastkommentar als "puren Revanchismus der Opposition". Für den ehemaligen Grünen-Politiker Franz Klug wäre das hingegen eine "Sternstunde des Parlaments", um Kurzens Ein-Mann-Wahlkampfshow zu beenden.

Der Misstrauensantrag in einer funktionierenden Demokratie ist keine Rache der Opposition, wie es Josef Christian Aigner in seinem Beitrag gegen die mögliche Abwahl von Kurz suggeriert, sondern eine demokratiepolitische Möglichkeit, um einen politischen Kurswechsel zu erreichen. Im konkreten Fall geht es darum, die Ein-Mann-Wahlkampfshow des Bundeskanzlers Sebastian Kurz zu beenden. Er soll den beginnenden Wahlkampf eben nicht als Kanzler anführen, sondern nur als Parteiobmann der ÖVP.

Bei einem möglichen Rücktritt von Kurz entsteht auch keine Regierungskrise, da ja der ÖVP-Vizekanzler den Bundeskanzler vertreten kann und es bis zur Wahl eigentlich gar keinen neuen Bundeskanzler braucht. Die Regierung ist natürlich auch ohne Bundeskanzler handlungsfähig. Daher ist das ganze Gerede über eine Staats- oder Regierungskrise völlig überzogen und entspricht mehr dem medialen Erregungswunsch als den Tatsachen.

Historische Chance ...

Dass überhaupt die historische Chance besteht, erstmalig in der Zweiten Republik einen Misstrauensantrag erfolgreich umzusetzen, liegt allein an der falschen Verhandlungsführung von Kurz. Statt die Opposition bei der Regierungsumbildung einzubinden, hat er sie vor vollendete Tatsachen gestellt und schon bei der ersten Rede den Wahlkampf mit Seitenhieben auf die SPÖ eröffnet.

Wer hat Kurz daran gehindert, gemeinsam zum Beispiel mit der SPÖ einen neuen Vizekanzler zu suchen und zu besetzen? Niemand außer sein Wille zur alleinigen Machtgestaltung. Wenn man bedenkt, dass es Kurz nun mit 30 Prozent gelungen ist, eine de facto ÖVP-Alleinregierung zu installieren, so hat er mit dieser Aktion seinen Lehrmeister Wolfgang Schüssel bereits übertroffen, der einst aus dritter Position Erster wurde. Unverständlich ist auch, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen hier mitmachte und Sebastian Kurz nicht daran hinderte, die Opposition vor vollendete Tatsachen zu stellen.

... oder vertrauensbildende Maßnahmen?

Man muss ja nicht gleich einen Misstrauensantrag gegen die ganze Regierung stellen, um Kurz zu erden, wie es der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer forderte, aber der Misstrauensantrag nur gegen Kurz ist gerechtfertigt und könnte, wenn er angenommen wird, zu einer Sternstunde des österreichischen Parlaments werden. Eines Parlaments, das der Regierung, dem Bundeskanzler zeigt, dass er eben nicht allein regieren kann, sondern dafür das Vertrauen und die Mehrheit des Parlaments braucht.

Gut österreichisch ist jedoch leider zu erwarten, dass die FPÖ unter Norbert Hofer sich um eine weitere Kurz-Koalition nach den Wahlen im September bemühen wird und daher dem Misstrauensantrag von der Liste Jetzt mehrheitlich nicht zustimmt. Die mehrheitliche Ablehnung des Misstrauensantrags gegen Kurz wird die FPÖ dann mit dem Argument "vertrauensbildende Maßnahme" rechtfertigen. Und auch in der SPÖ könnte sich noch der Vorschlag von Joseph Christian Aigner durchsetzen, dass man sich doch nicht die Brücke zu einer möglichen Koalition mit der ÖVP verbauen darf. Am Montag wird sich zeigen, ob FPÖ und SPÖ eine mögliche Sternstunde im österreichischen Parlament herbeiführen – oder ungenutzt verstreichen lassen. (Franz Klug, 26.5.2019)