Paris – Neandertaler lebten vor etwa 400.000 bis 30.000 Jahren in Europa, ihr Verschwinden überschnitt sich mit dem Zeitraum, in dem sich der moderne Mensch, der Homo sapiens, auf dem Kontinent ausbreitete. Übriggeblieben ist von ihnen nur ein kleiner Prozentsatz unseres Erbguts, wie man heute weiß – sie haben sich also mit dem Homo sapiens vermischt. Als eigenständige Menschenart sind die Neandertaler hingegen ausgestorben.

Forscher des nationalen wissenschaftlichen Instituts (CNRS) in Frankreich haben nun im Fachmagazin "Plos One" eine auf Modellrechnungen beruhende Hypothese präsentiert, was zum Verschwinden unseres nächsten Verwandten geführt haben könnte: Ein leichter Rückgang der Fruchtbarkeitsrate bei jungen Neandertalerinnen hätte dafür schon ausgereicht.

Aussterben mit mittlerer Geschwindigkeit

Das Verschwinden der Neandertaler ging relativ rasch – binnen 10.000 Jahren oder weniger –, aber nicht schlagartig. Das spricht laut Silvana Condemi, Anthropologin an der Universität Aix-Marseille, gegen einen Anstieg der Kinder- oder Erwachsenensterblichkeit aufgrund von Epidemien oder eines "Ausrottungskriegs", den unsere Vorfahren gegen die Neandertaler geführt hätten: Letzteres eine Hypothese, die früher für sehr wahrscheinlich gehalten wurde.

Hingegen sei ein "sehr leichter Rückgang der Fruchtbarkeitsrate junger Frauen kompatibel mit dem bekannten Zeitrahmen des Aussterbens". "Dieser Rückgang ist sehr gering, aber er reicht über einen langen Zeitraum, um den Neandertaler aussterben zu lassen", erklärte Condemi. Möglicherweise habe die Ankunft des Homo sapiens die Neandertaler bei der Nahrungssuche zunehmend unter Druck gesetzt. "Ein Rückgang der Nahrung und damit der Kalorien ist schädlich für Schwangerschaften", so die Forscherin.

Die Autoren der Studie betonten aber, ihr Ziel sei es nicht gewesen zu erklären, "warum" die Neandertaler ausstarben, sondern "wie". Solange es nur wenige fossile Funde gebe, könnten lediglich Vermutungen angestellt werden, warum junge Neandertalerinnen begonnen hätten, weniger Kinder zu bekommen. (red, APA, 1. 6. 2019)