Sollten Banken heimischen Unternehmen als Miteigentümer den Rücken kehren, befürchtet die Industriellenvereinigung einen schweren Rückschlag für den Wirtschaftsstandort.

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In der heimischen Industrie wächst die Sorge, dass bei großen Unternehmen ein gewisser Erdrutsch im Eigentümerkreis anstehen könnte. Bei vielen davon sind nämlich Banken direkt oder indirekt mit Beteiligungen an Bord, mitunter schon seit sehr vielen Jahren. An dieser Tradition, die Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenver- einigung (IV), als "stabilisierenden Faktor" begrüßt, wird allerdings gerüttelt. Banken soll grundsätzlich der Appetit auf solche Unternehmensbeteiligungen genommen werden, obwohl Neumayer "hohes Interesse der Banken ortet, die Beteiligungen auch zu halten".

Konkret sorgt er sich um einen Entwurf der neuen Vorschriften für Banken, auch als Basel IV bezeichnet, dem zufolge Beteiligungen an Unternehmen künftig mit mehr Eigenmitteln unterfüttert werden müssen, der Satz soll von 100 auf 250 Prozent springen. Sprich, es soll ein wesentlich größerer Risikopuffer zur Seite gelegt werden als bisher – wozu wohl nicht alle Banken Lust verspüren werden. Aber welche Folgen hat es, wenn man diese milliardenschweren Beteiligungen der Banken, die IV spricht von einem Verkehrswert von zumindest 3,7 Milliarden Euro, aus dem Eigentümerkreis der Unternehmen zieht?

Weniger Beschäftigte

Dieser Frage ist Herwig Schneider, Chef des Industriewissenschaftlichen Instituts, im Auftrag der IV nachgegangen – und hat bedrohliche Ergebnisse vorgelegt. Untersucht wurden in der Studie die Auswirkungen auf sechs heimische Leitbetriebe aus verschiedenen Branchen mit einem gesamten Produktionswert von 12,5 Milliarden Euro und rund 41.000 Beschäftigten. Sollten sich die Banken allerdings aus diesen Unternehmen zurückziehen, müssten sich bis zu 30 Prozent der Mitarbeiter binnen zehn Jahren einen anderen Job suchen.

Zu solchen Auswirkungen kommt es, da die Eigentümer neben Krediten mit jeweils annähernd 40 Prozent die Hauptlast bei der Finanzierung von Unternehmen zu tragen haben – und verschiedene Eigentümer ebenso unterschiedliche Interessen hegen. Springen die Banken ab, müssten im günstigen Fall die bestehenden Miteigentümer oder der Kapitalmarkt die Beteiligung übernehmen, was sich spürbar negativ auf künftige Investitionen auswirken würde. Noch weniger erfreulich wäre das Ergebnis, wenn stattdessen kurzfristig denkende Finanzinvestoren die Anteile der Banken übernehmen würden, da diese in der Regel noch weniger bereit sind, langfristige Investitionen zu finanzieren.

Weniger Investitionen

Auf volkswirtschaftlicher Ebene werden diese unmittelbaren Effekte durch sogenannte Multiplikatoreffekte sogar noch verstärkt. Also dadurch, dass das Wohlergehen der untersuchten Leitbetriebe auch auf ihr Umfeld wie Zulieferer und deren Investitionen und Mitarbeiterstand ausstrahlt. Dazu kommt, dass der Konsum sämtlicher Beschäftigter auch in anderen Bereichen der Wirtschaft positive Effekte auslöst.

Ein paar Eckpunkte aus der Studie: Inklusive der Multiplikatoreffekte würde sich die durch die sechs Leitbetriebe ausgelöste Gesamtbeschäftigung beim fortgeschriebenen Status quo, also mit Banken als Miteigentümern an Bord, von derzeit 137.000 innerhalb von zehn Jahren auf fast 160.000 Arbeitsplätze erhöhen. Im schlechtesten Fall, dem Verkauf an Finanzinvestoren, kommt die Studie nicht einmal auf 76.000 Jobs, das sind 61.000 weniger als derzeit. Ähnlich sieht es in diesem Fall bei der Wertschöpfung aus, die sich von derzeit 9,1 Milliarden Euro auf 6,6 Milliarden verringern würde, aber auch bei den Steuereinnahmen.

Auswirkungen erst in paar Jahren

"Die Auswirkungen zeigen sich nicht heute, sondern erst in ein paar Jahren", erklärt Studienleiter Schneider. "Dabei kommen wir schnell auf Werte, die meines Erachtens bedrohlich sind." Generell erachtet er die geplante Vorschrift für Banken als wenig sinnvoll und fügt hinzu: "Ob es gescheit ist, langjährige Partnerschaften aus dem System herauszuziehen?"

"Das ist ein unterschätztes Thema für den Standort", betont IV-Generalsekretär Neumayer. Er fordert die Politik auf, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, die entsprechende Regelung noch zu beseitigen oder aufzuweichen. Europa müsse die Vorgaben von Basel IV nicht eins zu eins umsetzen. "Der Spielraum ist nicht riesengroß, sollte aber wahrgenommen werden", sagt Neumayer.

Kapitalmarkt fördern

Ergänzend fordert Robert Ottel, Präsident des Aktienforums und Finanzvorstand der Voest, Maßnahmen zur Förderung des heimischen Kapitalmarkts als weiteren Financiers heimischer Unternehmen: nämlich das Absenken der Wertpapier-Ertragssteuern um 2,5 Prozentpunkte auf das 25-prozentige Sparbuchniveau, die Wiedereinführung der einjährigen Spekulationsfrist sowie für Firmen die steuerliche Absetzbarkeit der fiktiven Eigenkapitalzinsen.

Allein, wird die Politik diese Botschaften aufgreifen? Im Wahlkampf kann man mit Themen wie Basel IV oder Spekulationsfristen kaum reüssieren – und ob sich die Übergangsregierung dafür erwärmen lässt, ist ebenso fraglich. (Alexander Hahn, 3.6.2019)