Die ÖVP will nun doch einem Antrag der SPÖ zustimmen, der das generelle Rauchverbot in Lokalen fordert.

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Wien –Nein, blockieren will die ÖVP nicht. Aber hudeln auch nicht. Nach tagelangem Hin und Her hat Klubobmann August Wöginger am Donnerstag den Fahrplan seiner Partei für ein Rauchverbot in der Gastronomie festgelegt: "Wenn das Gesetz gekippt wird, dann ist die weitere Vorgangsweise klar. Dann kommt das Rauchverbot."

Wenn also der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erkennt, dass die im Vorjahr von ÖVP und FPÖ beschlossene Regelung, die das Rauchen in Lokalen unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, verfassungswidrig ist, ist das entsprechende Gesetz aufgehoben. Dann besteht aus Sicht Wögingers kein Handlungsbedarf. Der Verfassungsgerichtshof wird sich noch im Juni zum dritten Mal mit der Frage auseinandersetzen, ob das Tabak- und Nichtraucherinnen- beziehungsweise Nichtraucherschutzgesetz verfassungskonform ist. In den kommenden Wochen soll der Höchstgerichtsspruch bekanntgegeben werden.

Warten auf die Verfassungsrichter

Nur wenn der VfGH das im Vorjahr auf Drängen der FPÖ beschlossene Gesetz für korrekt befinden sollte, denkt Wöginger daran, einem Antrag zuzustimmen, mit dem das früher beschlossene, aber ausgesetzte Rauchverbot wiedereingeführt werden soll. Ohne die ÖVP gibt es dafür keine Mehrheit – und die ÖVP will eben mit einer Zustimmung warten, bis das Erkenntnis des VfGH vorliegt.

Ein Antrag der SPÖ, der ein generelles Rauchverbot in Lokalen fordert, wurde im Parlament noch nicht eingebracht, zwei Anträge (je einer von Neos und Jetzt) liegen vor. Welcher Antrag dann weiter behandelt und möglicherweise beschlossen wird, ist noch offen.

SPÖ hofft auf Verbot ab September

Offen ist auch, wann das Rauchverbot dann tatsächlich in Kraft tritt: Man werde sich das VfGH-Erkenntnis anschauen und dann noch einmal mit den anderen Parteien verhandeln, hieß es am Donnerstag aus der ÖVP. Und: Man müsse nicht alle Fristen ausreizen. Die SPÖ würde sich wünschen, dass das Rauchverbot rasch, womöglich schon im September kommt.

Aus der ÖVP kommt Unterstützung für die neuerliche Kehrtwende der Bundespartei: "Wir haben uns immer gegen die Abkehr vom Rauchverbot in der Gastronomie ausgesprochen. Das war eine gesundheitspolitische Fehlentscheidung. Die Österreicherinnen und Österreicher kennen jedoch den Hintergrund: Die Abkehr vom Rauchverbot war Koalitionsbedingung der FPÖ. Wir begrüßen es daher und sind froh, dass dieser Fehler nun korrigiert werden soll. Jetzt ist der Verfassungsgerichtshof am Zug", erklärt etwa der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer.

Dazu muss man wissen: Es war der Oberösterreicher Reinhold Mitterlehner, der die ÖVP nach dem Krebstod des Journalisten Kurt Kuch auf Rauchverbotskurs getrimmt hatte. Sebastian Kurz stimmte die ÖVP wieder um, weil die Abwendung des schon beschlossenen Rauchverbots die VP-FP-Koalition ermöglichte.

Kickl: "ÖVP macht sich linkskompatibel"

Der bisherige Koalitionspartner FPÖ sieht die jetzige Haltungsänderung der ÖVP kritisch: "Die ÖVP macht sich linkskompatibel", sagt FPÖ-Klubchef Herbert Kickl dem STANDARD, "das hat sie ja auch im Asylbereich getan." Auf die Frage, ob nun die Freiheitlichen gemeinsam mit den Sozialdemokraten Regelungen aufheben würden, die der SPÖ ein Dorn im Auge sind (Stichwort: 60-Stunden-Woche), gibt sich Kickl pakttreu: "Es wird mit uns keine Racheaktion geben. Wir stehen zu dem, was wir gemacht haben." Auch die ÖVP versichert, dass sie keine weiteren gemeinsam mit der FPÖ gefassten Beschlüsse kippen will.

Gastronomen wünschen Planungssicherheit

Der mögliche Beschluss eines ausnahmslosen Rauchverbots in der Gastronomie trifft in der Wirtschaftskammer auf wenig Gegenliebe. Im Wiener Fachverband hieß es am Donnerstag auf eine Anfrage des STANDARD, dass die Branche vor allem Rechts- und Planungssicherheit brauche. Und die war für Lokalbetreiber seit Jahren tatsächlich schwer zu finden. Seit 2009, als das bis jetzt gültige Tabakgesetz samt Rauchverbot und Ausnahmeregelungen in Kraft trat, haben sich Vorgaben durch Übergangsfristen beziehungsweise durch die Verschiebung politischer Machverhältnisse immer wieder geändert.

Mario Pulker, Obmann des Fachverbands Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), sprach sich in einer ersten Reaktion gegen eine "unvermittelte Aufhebung von rechtsgültigen Gesetzesbeschlüssen" aus.

Berufung auf mündige Bürger

Eine umgehende Aufhebung der bestehenden Regelung verursache Kosten, die sich viele Betriebe nicht mehr leisten könnten. Im Übrigen sei die aktuelle Regelung erst vor kurzem vom Parlament mit entsprechender Mehrheit (von ÖVP und FPÖ; Anm.) beschlossen worden und entspreche "den Interessen der Mehrheit der Mitgliedsbetriebe in der Gastronomie", sagte Pulker zur Austria Presse Agentur.

Schon anlässlich der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegen die schwarz-blaue Rücknahme des Rauchverbots hatte es massive Proteste aus der Wirtschaft gegeben: "Wir sind weiterhin überzeugt davon, dass der mündige Bürger selbst wählen kann, ob er ein Raucherlokal aufsuchen möchte oder nicht", befanden der Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer, Peter Dobcak, und Kaffeehäuser-Vertreter Wolfgang Binder.

Gewerkschaft und Ärzte atmen auf

Happy mit einem möglicherweise schon ab Herbst geltenden generellen Rauchverbot in Lokalen zeigte sich hingegen Bernd Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft Vida. 220.000 Beschäftigte seien täglich stundenlang Passivrauch ausgesetzt, selbst tausenden Lehrlinge müssten sich regelmäßig in verrauchten Räumen aufhalten.

Die Wiener Ärztekammer, die im Vorjahr das "Don't smoke"-Volksbegehren mitinitiiert hatte, drängt auf eine baldige Umsetzung des Rauchverbots in geschlossenen Räumen der Gastronomie. Florian Stigler, Experte für Öffentliche Gesundheit an der Med-Uni Graz, rechnete vor, dass jeder Monat Verzögerung zu 2700 vermeidbaren Krankenhausaufnahmen führe. (Conrad Seidl, Michael Simoner, 6.6.2019)