Ausnahmsweise ohne Band-T-Shirt: der designierte Volkstheater-Intendant und Musik-Aficionado Kay Voges, derzeit noch Intendant am Schauspielhaus Dortmund.

Foto: Marcel Urlaub

Wien – Das Wiener Volkstheater soll "das fortschrittlichste Theater des Landes" werden. Das kündigte der neue, am Freitagmorgen von der parteilosen Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler erstmals vorgestellte designierte Direktor Kay Voges an. Lediglich zweieinhalb Wochen zuvor wurde der 47-jährige Noch-Intendant des Dortmunder Schauspielhauses erstmals gefragt, ob er denn Interesse hätte. Der Mann ist entschlussfreudig!

Mit gutem Grund. Denn die Chancen als Anwärter auf die begehrte Berliner Volksbühne, für die Kay Voges länger im Gespräch war, sind zuletzt geschwunden. Jetzt ist es eben das Volkstheater in Wien geworden. Von Volksbühne zu Volkstheater – der erste Versprecher ließ bei der Pressekonferenz nicht lange auf sich warten. Voges korrigierte den Lapsus mit Charme. Man kann sich gut vorstellen, wie er künftig den Kritikern und ersten Feinden, die in Wien angeblich hinter jedem Busch lauern, mit Gelassenheit und bezwingend höflicher Defensive die Stirn bietet.

Kay Voges neuer Chef des Volkstheaters.
ORF

"Als Piefke", so Voges, habe er noch viel über die Gepflogenheiten in Österreich und Wien zu lernen. Innerliches Nicken. Die Geschichte des Volkstheater hat er im Schnellverfahren studiert, allerdings konnte Voges bisher erst eine Vorstellung im Haus am Arthur-Schnitzler-Platz besuchen, wie er beschämt einräumt. Noch wenig tangiert ihn auch die in Veränderung begriffene Stiftungsstruktur mit dem ÖGB – Kaup-Hasler kündigte diesbezüglich eine Pressekonferenz "in Bälde" an.

Schauspielensemble vergrößern

Auch der lange Weg der Unterdotierung des Hauses konnte Voges noch nicht beeindrucken. Er will das Ensemble vergrößern. Ob das dank der zwei Millionen Euro zusätzlich realisierbar ist, für die Kaup-Hasler vonseiten der Stadt eine Zusage erwirken konnte? "Die Suche nach der dritten Million", die ihr der Bund verwehrt, habe sie jedenfalls "noch nicht aufgegeben". Nur sei es in der Übergangsregierung nicht einfach, ein Vis-à-vis für entsprechende Gespräche zu finden.

Das Ensemble soll also das dezidierte Zentrum des Hauses sein, ein "hochkarätiges Ensemble gleichberechtigter Personen – und weniger Gäste", so Voges. Damit wischt der künftige Direktor auch Befürchtungen vom Tisch, er, der als Regisseur den Kampf mit dem digitalen Zeitalter aufgenommen hat (in Stückentwicklungen wie Die Borderline Prozession oder Die Parallelwelt), würde den Fokus auf technische Spaßetteln legen und vorzüglich Videos spielen. Mitnichten: Zwar gehe es ihm darum, das Volkstheater "für die digitale Moderne fit zu machen", eine "Factory für Theaterkunst" zu etablieren, aber dennoch soll es hier "richtiges Schauspielertheater" geben.

Kind des Stadttheaters

Kay Voges, verheiratet und Vater zweier Söhne, ist ein Kind des Stadttheaters. Seine Dortmunder Intendanz (ab 2010) hat ihm dank guter Vernetzung und eigener experimentierfreudiger Regiearbeiten, die auch völlig über die Stränge schlugen (Bernhards Theatermacher als Musical), viel Aufmerksamkeit gebracht. Zuvor hat der ausgebildete Erzieher und halbstudierte Soziologe über Regiearbeiten von Oberhausen bis Kassel, Bonn bis Magdeburg die Tücken und Wunden des Betriebes auf vielfältige Weise kennengelernt.

Umso getriebener scheint er, diesen verändern zu wollen. Im Vorjahr gründete er in Dortmund gemeinsam mit Alexander Kerlin, der nun als Dramaturg ans Burgtheater wechselt, die "Akademie für Digitalität und Theater". Von hier, so Voges, erhoffe er sich, junge Regiehandschriften an das Volkstheater holen zu können. Zudem habe er Überlegungen zur Installation eines Regie-Studios angestellt. Für nur zwei Wochen Bedenkzeit erscheint das alles schon ziemlich konkret. Vermutlich setzt Voges nun konzeptuelle Grundpfeiler, die er für die Volksbühne Berlin im Talon hatte, nun in Wien um.

Apropos konzeptuelles Profil: Wie will sich das Volkstheater künftig vom Burgtheater abgrenzen? Zu diesem Aspekt gibt es vorerst nur dünne Antworten. Das Volkstheater wird von der Chance profitieren, weniger repräsentativ sein zu müssen, so Voges. Seinen Fünfjahresvertrag tritt Voges offiziell im September 2020 an, dann, wenn die Sanierungsarbeiten am Theater noch nicht abgeschlossen sind. Kaup-Hasler prophezeit eine erste "Spielzeit under construction", die den Spielbetrieb im Haupthaus vermutlich erst im Winter aufnehmen wird können. (Margarete Affenzeller, 7.6.2019)