Ein Projekt mit inneren Werten: Das 84 Meter hohe Holzhochhaus HoHo besteht aus vorgefertigten Fichtenmodulen.

Foto: Erich Reismann

Bis das Fassadengerüst verschwindet, werden wohl noch einige Wochen vergehen.

Foto: Cetus Baudevelopment
Foto: Rüdiger Lainer und Partner

Jedes Mal, wenn ein weiteres Holzelement angeliefert und mit dem Kran in Position gebracht wurde, hatte man das Gefühl, als würde ein Seestadtriese mit Kapla-Steinen oder mit viel zu groß geratenen Matador-Stäben spielen. "Insgesamt", sagt Architekt Rüdiger Lainer, "haben wir im ganzen Haus rund 1000 Deckenelemente und 800 Außenwandmodule zusammengesteckt. Hinzu kommen rund 840 Holzstützen, die wir vom ersten bis in den 24. Stock ineinandergesteckt und mit Ankerplatten und Gewindestangen zusammengeschraubt haben. Die Errichtung des HoHo Wien war die mit Abstand spielerischste Baustelle meines Lebens."

Pionierprojekt

Mit 24 Geschoßen und 84 Meter Bauhöhe ist das HoHo Wien eigenen Angaben zufolge das derzeit höchste Holzhaus der Welt. Hinter dem superlativen Projekt steckt der Wiener Immobilienentwickler Cetus, Tochter der Kerbler Holding. "Natürlich ist das für uns ein klassisches Immobilienprojekt, mit dem wir langfristig auch gute wirtschaftliche Erfolge erzielen wollen", sagt Caroline Palfy, Geschäftsführerin der Cetus Baudevelopment GmbH, die 2014 erstmals die Idee hatte, mitten in der Seestadt Aspern einen hölzernen Hotel- und Büroturm in die Höhe zu ziehen.

"In erster Linie aber sehen wir das HoHo als Pionierprojekt, als materielle Manifestation, um den Hochbau in Holz in Österreich auch im größeren Maßstab zur Marktreife zu entwickeln und die immer noch kursierenden Vorurteile, die immer wieder zu hören sind, zu entkräften." Und davon gibt es eine Menge. Nicht nur einmal hat man in Zeitungen und sozialen Netzwerken den bissigen Kommentar lesen können, dass man in Wien drauf und dran sei, das "größte Streichholz der Welt" zu bauen.

"Ja, diese Seitenhiebe sind nicht neu, aber genau solche vorgefertigten Meinungen abzubauen ist ja auch die Aufgabe dieses nicht alltäglichen Hochhauses", erklärt Architekt Lainer. "Wir haben uns mit dem Thema Brandschutz sehr intensiv auseinandergesetzt und haben sogar eigene Brandversuche gemacht, in denen wir die Stützen und Wand- und Deckenelemente 90 Minuten lang mit 1000 Grad heißem Feuer beflammt haben. Das Experiment war infernalisch. Und trotzdem hat sich der Schaden in Grenzen gehalten."

Brandschutz im Material

Sobald Holz brennt, bildet sich an der Oberfläche eine Kohleschicht, die zwar brennt und lodert, doch diese wirkt zugleich als Isolationsschicht für das geschützte Kernholz. Genau das ist das Geheimnis großvolumigen Holzbaus: "Mit Leichtbaukonstruktionen wäre so ein gigantisches Projekt nie möglich gewesen, denn mit dem Feuer verringert sich der tragfähige Querschnitt des Holzes", so Lainer. "Doch sobald man Holz massiv einsetzt und die tragenden Bauteile überdimensioniert, ist der Brandschutz de facto im Material selbst enthalten." Die größten massiv verleimten Brettschichtstützen in den unteren Etagen des HoHo messen beachtliche 40 mal 124 Zentimeter im Querschnitt.

Entgegen vielen anderen großvolumigen Holzbauten, die im Innenraum oft klassisch verputzt, verspachtelt oder mit Gipskarton verkleidet werden, bleibt das konstruktive Holz im HoHo an Wänden, Decken und Stützen sichtbar erhalten. Ein angenehm harziger Fichtenduft breitet sich auf der Baustelle aus. An den Fugen zwischen den Außenwandmodulen und den darin integrierten, bereits im Werk eingebauten Holzfenstern ist die fast chirurgische Genauigkeit der Vorfertigung sichtbar: Die flächenbündige Distanzfuge zwischen Wand und Fenster beträgt rundherum gerade mal zwei Millimeter. Von solchen Toleranzen kann man im Betonbau nur träumen.

Betonkern trifft auf Holz

"Genau das", sagt der technische Projektleiter Peter Gamperl, "war auch die größte Herausforderung vor Ort, denn während die umliegenden Etagenmodule in Holz errichtet wurden, wurde der Lift- und Stiegenhauskern aus Gründen der Statik und Aussteifung klassisch betoniert. Damit kollidiert hier tischlermäßige Präzisionsarbeit auf baumeisterlichen Schalungsbau. Damit trifft eine hochtechnologisierte Millimeternorm auf eine traditionelle Zentimeternorm. Unsere Aufgabe war es, die Toleranzen des Stahlbetonbaus an die Toleranzen des Zimmerers anzugleichen. Das war spannend."

Außen altbacken

Während sowohl die Innenräume als auch die vom Investor bewusst initiierte Missionsarbeit auf voller Länge und voller Höhe überzeugen, wirkt das neue architektonische Aushängeschild der Seestadt Aspern ausgerechnet an der Fassade bereits in die Jahre gekommen, noch bevor das Objekt an seine Mieter übergeben wurde. Die pixelig angeordneten Eternitplatten, mit denen das Hochhaus aus baurechtlichen Gründen eingekleidet werden musste und deren raue Oberfläche sich vergeblich darum bemüht, die Charakteristik einer Baumrinde nachzuahmen, bleiben am Ende irgendwie altbacken und vorvorgestrig beige. Schade.

Innere Werte

Damit konzentriert sich die Qualität des 65 Millionen Euro teuren HoHo auf die inneren Werte – auf den Beweis, dass Architektur mit dem Material gut und intelligent umzugehen weiß, dass Holz endlich in den Behörden Anklang gefunden hat und dass Immobilienwirtschaft mutig sein kann und mit radikaler Vorbildwirkung vorangeht. Mit Erfolg: Vor wenigen Wochen wurde im norwegischen Brumunddal der hölzerne, 80 Meter hohe Mjøsa Tower fertiggestellt. In Paris, London, Stockholm, Vancouver und Chicago plant man bereits noch höhere Holztürme, die das HoHo in den Schatten stellen werden. Mission gelungen. (Wojciech Czaja, 9.6.2019)