Die Fraktionsführer Peter Pilz (Jetzt), Stephanie Krisper (Neos), Werner Amon (ÖVP, dann abgelöst durch Gaby Schwarz), Ausschusspräsidentin Doris Bures (Mitte), Verfahrensrichter Eduard Strauss, Hans-Jörg Jenewein (FPÖ) und Jan Krainer (SPÖ)

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Ein U-Ausschuss ist nichts für nebenbei und zwischendurch. Wer sich auf dieses Gremium einlässt, sollte wissen, was ihm bevorsteht: Man wird Teil einer überparteilichen Gemeinschaft, die sich alle paar Tage für bis zu zehn Stunden sieht; die eine eigene Sprache entwickelt ("skartieren", "Stufe 3", "der Major") und nach Monaten mit Verve über Details diskutiert, die bei einem Großteil der Bevölkerung nur ein Schulterzucken oder verwunderte Blicke auslösen. Ein U-Ausschuss ist ein Monstrum, und dieser war es ganz besonders, weil er mit der blauen Machtübernahme im Innenministerium einherging und damit das perfekte Vexierbild für Ängste oder Vertrauen in die Freiheitliche Partei lieferte.

Die entscheidende Frage des U-Ausschusses bleibt bis heute Interpretationssache: Hat sich die FPÖ in Gestalt von Ex-Innenminister Herbert Kickl und Generalsekretär Peter Goldgruber verschworen, um bei der Razzia im BVT eine FPÖ-nahe Polizeieinheit einzusetzen, die geheime Daten entwenden konnte? Oder vertraute man bloß den eigenen Leuten, um rechtsstaatlich korrekt eine Reihe an Vorwürfen gegen BVT-Mitarbeiter aufklären zu können?

Skrupellos

Nach einer Saison des U-Ausschusses, der am Mittwoch seine Zeugenbefragungen abgeschlossen hat, weiß man zwar viel mehr Details, den eindeutigen Beweis für oder gegen die Verschwörungstheorie haben die Abgeordneten jedoch nicht gefunden. Das ist eine Lehre, die man aus dem U-Ausschuss ziehen kann: Der Weg ist das Ziel. Zwar hat man die grundlegende Fragestellung nicht geklärt, doch erfahren hat man viel. Etwa dass das BVT eine Schlangengrube war, in der sich merkwürdige Figuren tummeln. Oder dass die Ära Kickl von einer skrupellosen Hybris geprägt war, die sich auch in herrischem Auftreten gegenüber hochrangigen Mitarbeitern oder der Staatsanwaltschaft äußerte – sowie darin, dass eine "Geheimeinheit" im BVT gegründet wurde, von der nicht einmal BVT-Chef Peter Gridling wusste – und die am 1. Juli ihre Arbeit aufgenommen hätte.

BVT-Chef Peter Gridling nahm drei Mal vor dem U-Ausschuss Platz
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Unbeschadet geht aus der Affäre keine der beteiligten Institutionen hervor. Da wäre einmal die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die sich offenbar vom Innenministerium unter Druck setzen ließ und eine Reihe fragwürdiger Entscheidungen traf. Die Auftritte der fallführenden Staatsanwältin sorgten für Kopfschütteln bei den Abgeordneten – quer durch alle Parteien.

Von der Hausdurchsuchung im BVT und den Verfahren gegen fünf Beschuldigte blieb nur wenig übrig: Die Ermittlungen gegen BVT-Direktor Gridling, seinen Ex-Vize und den IT-Chef wurden eingestellt, die Razzia gerichtlich großteils für widerrechtlich erklärt. Auch in den übrig gebliebenen Verfahren dürfte es zu keinen spektakulären Verurteilungen kommen. Die WKStA hat mit ihren Ermittlungen viel Schaden in Kauf genommen, bislang ohne Ergebnisse liefern zu können. Auch das führte dazu, dass mittlerweile offen Krieg zwischen der Spitze des Justizministeriums und der WKStA herrscht.

Großer Reformbedarf vorhanden

Das ist die zweite Lehre aus dem U-Ausschuss: Wie von BVT-Chef Gridling gefordert, braucht es eine Neuregelung bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im hochsensiblen Bereich. Dass bei einer Razzia aus dem Büro der Chefin des Extremismusreferats unzählige Dokumente ohne Fallbezug, etwa die Namen verdeckter Ermittler, sowie eine hochgeheime Festplatte mit Daten internationaler Partnerdienste mitgenommen wurden, darf nicht mehr passieren.

Doch auch das BVT selbst ist beschädigt. Nicht nur, weil es international isoliert ist, sondern weil seine Vertreter vor dem Ausschuss oft ein groteskes Bild abgaben. Etwa jene Zeugen, die sich mit Kickls Mitarbeitern trafen, bevor sie ihre Ex-Kollegen beim BVT bei der Staatsanwaltschaft belasteten. Darunter Personen, die von Dingen wie einer "Fernlöschung der Daten im BVT" oder "Mobbing durch Beschallung mit Radio Niederösterreich" sprachen.

Die Zeugenbefragung vom damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) war das Grande Finale des Ausschussjahres 2018
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Das ist die dritte Lehre aus dem U-Ausschuss: Ein Ministerium sollte unter keinen Umständen fast zwei Jahrzehnte lang in der Hand einer einzigen Partei sein, in diesem Fall das Innenressort in der Hand der ÖVP. Der Postenschacher, der unter Ex-Innenminister Ernst Strasser 2000 begonnen wurde, setzt sich bis zum Einzug der FPÖ im Jahr 2017 fort (die dann ihre eigenen Leute an Schlüsselstellen installieren wollte). Daran konnten sich die befragten Ex-Innenminister und Ex-Innenministerinnen natürlich nicht mehr erinnern. Auch wenn schwarz auf weiß in einer E-Mail zu lesen war, dass das BVT "fünf Punkte für das Wahlprogramm" der ÖVP ausarbeiten sollte, bestritten sie – in diesem Fall der jetzige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka – eine politische Einflussnahme.Bemerkenswert ist, dass der U-Ausschuss die meiste Zeit über relativ sachlich arbeiten konnte, von gegenseitigen Ladungsdrohungen im Frühjahr einmal abgesehen.

Sacharbeit war möglich

FPÖ-Fraktionsführer Hans-Jörg Jenewein erfüllte zwar seine Rolle als Verteidiger der FPÖ, kam dabei aber ohne Untergriffe aus. Im Gegensatz zur ÖVP, die vor allem in der zweiten Hälfte des Ausschusses immer wieder den Schmutzkübel hervorholte. Und auch dann noch strikt an Fraktionsführer Werner Amon festhielt, als dieser in den Ermittlungsakten auftauchte. Der zeigte dafür viel Engagement, als es um das Aufdecken der Machenschaften von Kickl und Goldgruber ging – ob das auch an seiner Freundschaft mit dem beschuldigten BVT-Referatsleiter liegen könnte, sei dahingestellt.

Auch die früheren Oppositionsparteien fanden gut in ihre Rolle hinein: Stephanie Krisper von den Neos etwa, die erst im Jahr davor in den Nationalrat eingezogen war und zu einer gefürchteten Fragestellerin avancierte, wie etwa Altkanzer Sebastian Kurz (ÖVP) merken musste. Auch SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer empfahl sich mit seiner Arbeit für höhere Aufgaben. Bleibt die Liste Jetzt, die durch die Arbeit in den U-Ausschüssen wieder an Tritt gewinnen konnte. Neben dem U-Ausschuss-Urgestein Peter Pilz tat sich hier die frische Abgeordnete Alma Zadic hervor.Der erste mit Minderheitsbeschluss eingesetzte Ausschuss zeigte jedenfalls, warum er ein Instrument lebendiger Demokratie sein kann. Eine Fortsetzung ist zu erwarten – schon jetzt gibt es Rufe danach, andere Aspekte der Affäre sowie das "Ibiza-Video" aufzuklären. (Fabian Schmid, 7.6.2019)