Traditionen sind gar zarte Geschöpfe, die viel Aufmerksamkeit brauchen, Liebe zum Detail, aber halt auch ein sanftes Maß an Erneuerung. Gerade der hohe Druck, jeder Mode folgen zu wollen, hat mancher schönen Tradition das Genick gebrochen. Darum halten wir das Grundrezept für unseren Betriebsausflug – den wir sicherheitshalber Supertest nennen – auch heuer wieder gleich. Jeder schnappt sich ein Auto, dessen Deckel man öffnen kann und das viel zu teuer ist, als dass man selbst einen Kauf auch nur andenken würde. Damit fahren wir in das Collio in Norditalien. Dort stellen wir uns nach der gemeinsamen, schon rituellen Autowäsche an die Wand – jene in Castelmonte. Dann geht es runter zum Marco, der Trattoria da Mario, wo wir den Tag, nach ein paar geschmeidigen Kurven, mit einem Abendessen ausklingen lassen werden.

Ein Vierzylinder, drei Autos mit sechs, eines mit zehn und eines mit zwölf sowie zweimal Hinterradantrieb und viermal Allrad – wie jedes Jahr vor dem Fels am Castelmonte.
Foto: Guido Gluschitsch

Beim Einreiten vorm Marco werden Auspuffklappen geöffnet – zumindest die beim Sportwagen Audi R8. Für eine edlere Rodel wie den Mercedes-Benz E 53 AMG gehört sich das nicht – für den Bentley Continental GT schon gar nicht. Wem der Auftritt mit dem mehr als 400.000 Euro teuren Cabrio in der Bande zu bescheiden ausfallen könnte, kann ja mit Thin Lizzy, The Boys Are Back in Town, aus der Naim-Anlage auf bodenständig machen. Der Diesel im Bunde, der BMW 840d, klingt zwar unterm Fahren am Pilotenstuhl ganz gut, in Prepotto lockt man damit aber nicht die Dorfkatze. Das können BMW Z4 und vor allem der Jaguar F-Type besser. Letzterem schmiert die gescheckerte Katz minutenlang um die Nummerntafel wie bald der Marco dem R8 ums Lenkrad.

Marco im Audi R8.
Foto: Guido Gluschitsch

Es gehört zur Tradition, dass er, kaum sind wir Buben auf dem Platz vor seinem Restaurant eingeritten, sich einen Wagen aussucht, sich in diesen setzt und fragt, wie viel er uns servieren müsste, um ihn behalten zu dürfen. Marco will den R8. Die anderen Autos schaut er maximal von der Seite an. Das war nicht immer so.

Ibiza holt Don Michele ein

Immer hingegen war es so, dass Michael Völker diese Einleitung hier verfassen durfte. Dass Sie sich nicht seiner Zeilen erfreuen dürfen, liegt daran, dass er dieser Tage ein sehr beschäftigter Mann ist. Kenner wissen, dass er nicht nur unser generöser Gastgeber in Italien ist, sondern auch Leiter der Innenpolitik. Darum saß er während des Supertests auch öfter hinter dem Laptop als hinterm Lenkrad eines Cabrios. Inzwischen hockt er schon wieder seit Tagen in der Redaktion und verließ Friaul ungewöhnlich früh.

Marco fotografiert natürlich auch. Bilder von vergangenen Supertests hängen im Lokal.
Foto: Guido Gluschitsch

Eine Tradition, an deren Erhalt uns gar nicht so viel liegen würde, haben wir auch. Reifenpannen. Mit unschöner Regelmäßigkeit versuchen diese sich in unser Programm zu drängen. War das letzte Mal der Peter Urbanek in einem Benz dran – er reiste heuer mit der E-Klasse an, was jetzt alles oder nix heißen kann –, erwischte es diesmal Armin Karner, unseren Artdirector, der abseits vom Supertest nicht so sehr im Rampenlicht für die Autoredaktion arbeitet. Als die Reifendruckkontrolle des Jaguars nur noch 0,8 bar anzeigte, war es Zeit zu handeln. Zum Glück kannte Michael einen Reifenschuster, unweit vom Korsic in San Floriano, der helfen konnte. Er montierte den Reifen ab, zog den Nagel heraus, flickte das Loch und zog den Pneu wieder auf.

Der Comandante

Das ganze Spektakel dauerte keine 30 Minuten und kostete die Summe von 20 Euro. Das tat der Tradition, dass wir in den Tagen des Supertests mit dem Trinkgeld nicht sparsam sind, keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Das weiß wohl auch Marco, weshalb die Portionen in der Trattoria da Mario immer viel zu groß sind. Dass wir es diesmal geschafft haben, dass wir der Köstlichkeiten Herr wurden, konnte nur am strengen Blick des sanftmütigen Peter Urbanek liegen, den Marco stets sehr respektvoll "Comandante" nennt.

Auch Michael "Don Michele" Völker nutzt Castelmonte für ein Erinnerungsfoto.
Foto: Guido Gluschitsch

Dabei ist der Kommandant des Supertests, der Zeremonienmeister, und das seit immer schon, der Andreas Stockinger. Er zieht die Fäden – und die exklusivsten Autos aus den Luxushersteller-Garagen. Seine Idee war es auch, den Supertest heuer um einen Tag zu verlängern und nach dem Collio auch noch den Karst zu besuchen.

Autor fürs Auto

Möglicherweise lag die Entscheidung darin begründet, dass auch andere Medien kurzweilige Erfahrungen mit Autoren gemacht haben. Andreas dachte jedenfalls an, dem in Triest lebenden Krimi- und Bestsellerautor Veit Heinichen die ganze Batterie unserer Supertest-Gefährte zur Auswahl hinzustellen. Ganz ging der Plan nicht auf, weil der traditionell zum ehestmöglichen Zeitpunkt abreisende Rudolf Skarics nicht daran glauben wollte, dass dieser Traditionsbruch tatsächlich stattfinden wird. Darum steuerte er seinen BMW Z4 bereits wieder in Richtung Wien, als alle anderen Boliden im Hafen von Grignano einritten, wo Veit schon wartete. Der kannte allerdings nicht den ganzen Plan hinter der neuen Station und crashte auf seine Art – die ganz anders ist als jene anderer Autoren bei Supertests – den Start zur neuen Tradition. Wie, das lesen Sie demnächst, nach den Einzeltests, hier. Wie wir nächstes Jahr die Tradition aufbrechen, lesen Sie dann 2020. (Guido Gluschitsch, 11.6.2019)

Ganz neu ist Veit Heinichen als Supertest-Supergast, hier im Gespräch mit Zeremonienmeister Andreas Stockinger.
Foto: Guido Gluschitsch