Sebastian Kurz hat sich mit seiner Internetpräsenz einen Vorsprung verschafft.

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Wien – Sebastian Kurz startet dieser Tage erste Wahlkampfaufwärmrunden beim Smalltalk bei der Salzburger Feuerwehr, der Bergrettung und in Wirtshäusern. Während sich der ÖVP-Chef in den nächsten Wochen also auch realiter bei seinen potenziellen Wählern in Erinnerung halten will, ist sein Avatar im Netz schon längst hochaktiv.

"Kurz hat sich mit seiner Internetpräsenz in den letzten Jahren einen Vorsprung geschaffen, der von der SPÖ nicht mehr einholbar ist", sagt Politikberater Thomas Hofer, der einige Jahre in den USA diverse Präsidentenwahlkämpfe studiert hat. Von dort, genauer von den Obama-Wahlkämpfen, haben sich die Kampagnenprofis rund um Philipp Maderthaners Campaigning Bureau das entsprechende Know-how geholt und weiterentwickelt.

Probelauf

Begonnen hat Kurz ja schon im Wahlkampf 2013, wo er als Integrationsstaatssekretär bei einem Vorzugsstimmenwahlkampf die Kampagnenmaschinerie seines Freundes Maderthaner erstmals erfolgreich testen konnte. "Es war sozusagen ein Probelauf. Die digitale Kampagnenorganisation ist dann all die Jahre parallel mitgelaufen und wurde ständig verfeinert", sagt Hofer.

Ein messbares Detail der Internetpräsenz: Kurz' Facebook-Seite wurde bisher von rund 800.000 Usern gelikt, auf Twitter zählt er 360.000 Follower. Zum Vergleich: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kommt auf knapp 100.000 Facebook-User, auf Twitter knapp auf 12.000.

Tausende Datenspuren

Die Datenanalytiker von Barack Obama und später auch von Donald Trump gingen in ihren Big-Data-Erhebungen und -Analysen hinunter bis auf die individuelle Ebene. Sie sammelten tausende Datenspuren, die Wählerinnen und Wähler im Netz hinterlassen – von Kreditkartendaten bis zu Behandlungen etwaiger psychischer Probleme. Dieses Mikrotargeting wurde vor allem nach dem erfolgreichen Einsatz im Präsidentschaftswahlkampf von Obama 2008 zum fixen Bestandteil der Big-Data-Kampagnen in der Politik.

Durch Datenschutzregelungen sind in Österreich natürlich im Vergleich zu den USA weit weniger Informationen offen vorhanden, Maderthaner habe aber mit seinem von ihm entwickelten Programm Cambuildr eine eigene Datenbank zur Verfügung. "Nicht so feinziseliert wie etwa seinerzeit bei Obama, aber hocheffektiv", sagt Hofer. Laut Firmenhomepage bietet Cambuildr "die perfekte technologische Grundlage für erfolgreiches Movement-Campaigning".

Internetphänomen Sebastian Kurz

Sebastian Kurz' Agentur hat jedenfalls über Jahre hinweg – neben anderen konventionellen Kunden – kunstvoll das Internetphänomen "Sebastian Kurz" kreiert. Die Kampagnemacher sind dabei auch in Bereiche vorgedrungen, die ihn eigentlich nicht interessieren. Zum Beispiel Fußball. "Er hat sich auch dort eingeklinkt und Zielgruppen an ihn gebunden", sagt Hofer.

Kleine Kampagnendetails: Die Datenspezialisten testen unterschiedliche Keywords in Mails an repräsentativen Stichproben. Jene Wörter mit den höchsten Responseraten werden anschließend an hunderttausende Adressen verschickt. Die Massenmobilisierung läuft auch über individualisierte Kanäle. In der Endphase des EU-Wahlkampfes verschickte das Kurz-Team etwa personalisierte Videos, costumized Messages, in denen die Empfänger mit dem Vornamen angesprochen wurden: "lieber Georg", "liebe Katharina". "Das hat schon 2008 Obama gemacht. Man tut so, als ob es persönlich wäre, man soll sich persönlich angesprochen fühlen. Das funktioniert von der Methode her hervorragend", sagt Hofer.

Vorsprung von einigen Jahren

"Die ÖVP oder, besser gesagt, Sebastian Kurz hat, was die Mobilisierung im Netz angelangt, jedenfalls einen Vorsprung von einigen Jahren", sagt Hofer. Nur die FPÖ habe aufgeholt und könne mittlerweile über eigene Netzkanäle ihre Klientel mit Parteibotschaften versorgen und damit auch bei der Stange halten. "Ohne die Netzpräsenz wäre es unmöglich gewesen, nach dem Ibiza-Video noch einen so hohen Umfragelevel zu halten", sagt Hofer.

Die SPÖ verfüge momentan de facto über keine nennenswerte originäre Internetkompetenz. "Das liegt auch daran, dass es in der Partei ständig zu Umbrüchen gekommen ist und sich nichts Konstantes entwickeln konnte. Ständig wechselten die Teams. Kurz dagegen wird seit Jahren vom gleichen Team betreut, das seine Onlinepräsenz und die Massenkampagne ständig weiterentwickelt. Die SPÖ hat da keine Kontinuität, was sich jetzt rächt. Es wird für Rendi-Wagner ein uphill battle", sagt Politikexperte Hofer. (Walter Müller, 13.6.2019)