Die Notenpresse anwerfen, Schulden machen und damit die Wirtschaft stimulieren: Ökonomen wie der Wirtschaftsweise Lars Feld warnen davor.

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Mit Schulden macht man keine Experimente, das sei brandgefährlich. Schulden seien in wirtschaftlich schlechten Zeiten mitunter nicht zu vermeiden, sollten aber in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität, wenn auch die Steuereinnahmen sprudeln, umso energischer abgebaut werden. Auf dass Platz für geld- und fiskalpolitische Maßnahmen geschaffen wird, wenn die nächste Krise kommt.

Das ist, verkürzt gesagt, das Credo von Lars Feld. Und es ist das Mantra der Mainstream-Ökonomie, auch wenn sich die vorgeschlagenen Rezepte für Krisenländer in der Vergangenheit oft als wenig tauglich herausgestellt haben. Der 53-Jährige, der Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und einer von fünf Wirtschaftsweisen in Deutschland ist, sieht sich neuerdings mit einer Strömung in den Wirtschaftswissenschaften konfrontiert, die eine glatte Antithese zu allen bisher verkündeten "Wahrheiten" darstellt. Modern Monetary Theory (MMT) heißt die Richtung. Ihre Kernidee: Defizite sind nicht zwingend schlecht.

Lars Feld ist einer von fünf Wirtschaftsweisen in Deutschland.
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Regierungen sollten die Vollbeschäftigung im Auge behalten, die Wirtschaft durch mehr Staatsausgaben und Steuern lenken und auf diese Weise die Notenbanken entlasten. Verschuldung löse, sofern sie in eigener Währung erfolge, auch keine Inflation aus, wie dies am Beispiel der bereits lange Zeit hochverschuldeten Industrienation Japan gezeigt werden könne.

Schulden als Heilsbringer

Feld stellt die Grundtheorie, dass mit Schuldenmachen eine Vielzahl an Problemen ohne Kollateralschäden beseitigt werden könnte, in Abrede. Bei einem Vortrag in den Räumlichkeiten der Wiener Denkfabrik Agenda Austria, deren Beiratsvorsitzender Feld neuerdings ist, führte der Ökonom wissenschaftliche Evidenz aus diesem und dem vergangenen Jahrhundert zur Untermauerung seiner These an, wonach am Schuldenabbau kein Weg vorbeiführe. Es gebe eindeutig eine Korrelation zwischen Preissteigerung und Geldmenge. Das sei in den 1920er-Jahren während der Hyperinflation so gewesen und lasse sich mit Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit untermauern.

Die Modern-Monetary-Theorie wurde 1997 vom amerikanischen Hedgefonds-Manager Warren Mosler formuliert, blieb aber jahrzehntelang obskur, bis Stephanie Kelton sie erweiterte. Im zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf, wo sich Kelton als Wirtschaftsberaterin des demokratischen Kandidaten Bernie Sanders verdingte, spielte die MMT bereits eine Rolle. Mittlerweile stützen immer mehr linke Politiker und Politikerinnen die Finanzierung ihrer politischen Ideen auf die MMT, darunter Alexandria Ocasio-Cortez, die als jüngste Abgeordneten im Jänner für die Demokraten in das Repräsentantenhaus eingezogen ist. Sie will ihre Sozial- und Umweltprogramme mittels Notenpresse finanzieren.

Rechtes Gefallen

Aber nicht nur linke, auch ganz rechts stehende Politiker wie Lega-Chef Matteo Salvini finden Gefallen am Schuldenmachen. Italien, das an hoher Arbeitslosigkeit leidet, will statt Budgetdisziplin, wie sie die anderen Euroländer einmahnen, mit einem schuldenfinanzierten Investitionsprogramm die darniederliegende Wirtschaft ankurbeln.

Die einzige Kraft, die das verhindern könne, sei der Kapitalmarkt, sagte Feld. Hohe Zinsaufschläge könnten zu einem Einlenken führen. Und noch jemand könnte die Entwicklung, die sich in Italien zurzeit abzeichnet, aufhalten. Feld: "Die vielen Unternehmen in Italien, die nicht aus dem Euro rauswollen. Auf die wird selbst ein Salvini am Ende des Tages hören müssen." (Günther Strobl, 12.6.2019)