St. Pölten – Als Sebastian Kurz auf dem Domplatz von St. Pölten ankommt, sind die letzten Unterhosen schon in Bananenkisten verpackt. Der Besuch des ÖVP-Chefs auf dem Wochenmarkt der Landeshauptstadt war zeitlich knapp kalkuliert. Die Stände mit T-Shirts und Unterwäsche haben längst abgebaut, als Kurz verspätet, erst fünf Minuten vor dem offiziellen Ende des Marktes, eintrifft.

Das Volksmusikquartett spielt für Ex-Kanzler Kurz noch ein Extraständchen.
Foto: christian fischer

Doch es sind noch genug Bauernstände offen und St. Pöltener da, um "Herr Bundeskanzler!" zu rufen und Selfies mit dem Ex-Kanzler zu machen. Eine Dame nennt einen Namen und ruft dann stolz: "Ich bin seine Tante!" Ihr Neffe hat mit dem prominenten Besucher Tennis gespielt. Ein Mann nennt ihn vor seinem Glas weißer Spritzer stehend "Herr Neo-Bundeskanzler". "Na, schau ma mal", wiegelt Kurz ab. Beim Publikum, das den Donnerstagmittag auf dem Markt der politisch roten Stadt verbringt, kommt er gut an. Das Volksmusikquartett spielt ihm noch ein Extraständchen.

Die Besucher des St. Pöltener Wochenmarkts sind Sebastian Kurz gewogen. Mehr als eine schnelle Runde Hände schütteln und Fotos machen geht sich aber nicht aus.
Foto: christian fischer

Aber was macht der Parteichef ohne Amt hier in der Mittagssonne zwischen Wurst- und Gemüseständen eigentlich? Nicht wahlkämpfen. Das heißt es zumindest aus der ÖVP: Es gehe um keine Strategie oder Kampagne. Kurz habe sich selbst gewünscht, in die Bundesländer zu fahren und endlich länger mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Eigentlich wollte er ja in der Woche vor der Europawahl noch in die Lande ziehen, doch Ibiza-Gate habe ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er hole eigentlich nur das Versäumte nach.

Bankomatenraub mit der Flex

Lange Diskussionen gehen sich bei dieser Gelegenheit aber nicht aus: eine schnelle Runde um den Platz, Hände schütteln, Fotos machen. Dann geht es weiter zum nächsten Termin, einen Tross Kameraleute, Fotografen und Journalisten im Schlepptau.

Wenige Minuten später erkundigt sich Kurz in einem kühlen Besprechungsraum, wie man eigentlich einen Bankomaten aufschneidet: "Mit der Flex?", ist seine Vermutung – aber woher den Strom dafür nehmen, wenn man spätnachts auf dem Land Geldautomatenraub betreibt?

Kurz besuchte mit dem niederösterreichischen Landesrat Ludwig Schleritzko das Landeskriminalamt in St. Pölten.
Foto: christian fischer

Der Leiter der zuständigen Abteilung im Landeskriminalamt Niederösterreich klärt Kurz auf: Akku-Flex oder Motor-Flex. Er sitzt gemeinsam mit seinen Kollegen – allesamt Spitzenkriminalisten, allesamt Männer – im Stützpunkt des niederösterreichischen Landeskriminalamts (LKA). In dem auf die grüne Wiese am Rande St. Pöltens gebauten Betonklotz ist die Expertise des Landes in Sachen Verbrechensbekämpfung versammelt. Die Einheit Menschenhandel und Rotlichtkriminalität stattet ihren Schaukasten im Stiegenhaus mit Schlagringen, einer abgesägten Schrotflinte und Strapsen aus.

Für den Chef des Hauses, Brigadier Omar Haijawi-Pirchner, ist es "eine Ehre für das LKA", Parteichef Kurz und Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) zu Gast zu haben. Die Abteilungsleiter unter ihm hören sich Kurz' viele Fragen an: Wie viel erbeuten Täter beim Telefonbetrug von Pensionisten? 70.000 Euro aufwärts. Wie läuft die Zusammenarbeit mit anderen Ländern? Mal so, mal so. Merken die Beamten etwas vom verbesserten Image der Polizei? Nicht wirklich.

Fragen und Wünsche

Und sie deponieren selbst Wünsche – wohl in der Annahme, dass Kurz nicht auf ewig ohne Amt bleiben wird. Mehr Ressourcen. Mehr Zugriffsrechte im Internet. Dienststellen für Cyberexperten, denen man derzeit nur eine Praktikumsstelle und 1000 Euro netto monatlich bieten könne. Kurz beteuert, er kenne die Budgetthemen im Innenministerium aus seiner Zeit als Staatssekretär dort noch "sehr gut" und will sich die Sache anschauen.

Wenn Polizisten feiern, gehen sie in die Tiefgarage.
Foto: christian fischer

Weil die Zeit im Nichtwahlkampf wieder einmal knapp ist, muss Kurz auch die Einladung der Beamten zum Essen bei ihrem Hoffest ausschlagen. Einmal im Jahr belohne man sich dort für die harte Arbeit, erklärt der Brigadier. Auf eine Runde Hände schütteln schaut Kurz dann aber vorbei.

Hoffest in der Tiefgarage

Wenn Polizisten feiern, gehen sie in die Tiefgarage. Wo die Beamten sonst ihre Autos parken, sind nun Heurigenbänke, Stehtische und eine Bar aufgebaut, an der schon einige Krügerln gefüllt werden und wohl auch schon einige ausgetrunken wurden. An der Ausfahrt werden Würstel und Koteletts gegrillt. Um 14.30 Uhr öffnet die "Achterlbar" (Bouteille Qualitätswein: neun Euro), doch da ist Kurz schon wieder weg: Auch bei der Tiefgaragenparty der LKA-Beamten war nur Zeit für Fotos, Händeschütteln und Smalltalk.

Dann ist der Parteichef schon wieder unterwegs. Eine Rotkreuz-Station in Lilienfeld, ein Treffen mit der Landjugend in Wilhelmsburg und eine Diskussion am Abend stehen noch an. Bis nach 20 Uhr wird der Spitzenkandidat unterwegs sein. Und der Wahlkampf, der kommt dann im Herbst. (Sebastian Fellner, 13.6.2019)