Ökonomen sind sich uneins, wie problematisch der staatliche Schuldenberg ist. Aber eines scheint klar: Österreich hat eine historische Chance.

Foto: APA/dpa/Boris Roessler

Noch nie konnte sich Österreich so billig an den Finanzmärkten frisches Geld holen. Um Staatsanleihen, die erst im Jahr 2117 zurückgezahlt werden, gibt es ein G'riss, als gehe es um den letzten Impfstoff während einer Pandemie. Das ist Fluch und Segen zugleich.

Das Positive liegt auf der Hand: Die Zinslast wird nicht nur geringer, die Verbindlichkeiten können auch über einen längeren Zeitraum gestreckt werden, bevor man sie in der Regel durch neue Schuldscheine ersetzt. Das gibt der Republik deutlich mehr Planungssicherheit. Und es schont den Steuerzahler, zumindest in der Theorie.

In der Praxis nehmen Österreichs Politiker das billige Geld zum Anlass, um noch mehr auszugeben, statt Reformen anzupacken. Während es Ländern wie der Schweiz oder Schweden gelingt, in Zeiten guter Konjunktur einen Polster für den nächsten Abschwung anzulegen, überschreitet Österreich voraussichtlich die mit der EU vereinbarte Ausgabengrenze heuer deutlicher als im Vorjahr.

Ökonomen sind sich uneins, wie problematisch der staatliche Schuldenberg ist. Aber eines scheint klar: Österreich hat eine historische Chance. Entweder nutzt die Politik das billige Geld für Bildung, Infrastruktur und Umweltschutz – alles Themen, die sich erst in Zukunft rentieren. Oder sie entlastet Steuerzahler, damit diese besser für sich selber vorsorgen können. Nur eines sollte tabu sein: den Geldsegen heute zu verprassen, statt an morgen zu denken. (Leopold Stefan, 26.6.2019)