"In meiner Werkstatt haben schon Richard Wagner und Johannes Brahms gemeinsam musiziert. Das muss man sich einmal vorstellen. Und zwar in meiner Werkstatt, die in einem großen Zimmer unserer Wohnung untergebracht ist. Diese wiederum befindet sich in einer Villa im 14. Bezirk. Wagner hat hier von 1863 bis 1864 gelebt und war damals mit der Komposition der 'Meistersinger von Nürnberg' beschäftigt. Er musste dann aber wieder abreisen, weil er sich schwer verschuldet hatte, unter anderem bei der Einrichtung dieser Wohnung.

Die Geigenbauerin Julia Maria Pasch in ihrer Werkstatt im 14. Bezirk. In diesem Raum haben schon Wagner und Brahms zusammen musiziert.
Foto: Nathan Murrell

Obwohl Wagner Komponist war, hat meine Arbeit mit der seinen etwas gemeinsam. Ich würde es das 'Schaffende' nennen, auch wenn man für das Bauen von Geigen ganz andere Talente als fürs Komponieren braucht. Obwohl ich Geige spielen kann, bin ich keine Interpretin von Musik. Mein Job ist es, möglich zu machen, dass Musiker sich dieser Interpretation widmen können, ohne vom Instrument gebremst zu werden. Wie soll ich sagen? Ich schneidere den Musikern ihr Instrument auf deren Leib.

Stradivari-Theater

Unter meiner eigenen Flagge habe ich bisher 31 Geigen und Bratschen gebaut, zuvor habe ich Geigenbau im süddeutschen Mittenwald gelernt. Pro Jahr baue ich circa sechs Instrumente, 300 Stunden fließen in eine Geige, die 28.000 Euro kostet. Ja, ich weiß, Stradivaris wechseln um viele Millionen Euro ihre Besitzer. Das hat mit unserem Markt nichts zu tun. Ich empfinde das Theater um die Stradivari allerdings ein wenig anachronistisch. Bis vor 20 Jahren hieß es, eine Stradivari wäre unerreichbar, und das hat den Geigenbau ziemlich ausgebremst. Natürlich bewundere ich Stradivari, weil er aus einem strengen Korsett der Stilistik ausgebrochen ist und etwas entwickelt hat, das bis heute gut funktioniert. Ich möchte aber auch nicht versuchen, ihn zu kopieren.

Außerdem muss man bedenken, dass es für uns heute viel leichter ist, Instrumente zu bauen. Es gibt sogar Musiker, die ihre Stradivari abgegeben haben, um auf einem meiner Instrumente im Konzert zu spielen. Auch wir Geigenbauer erfahren unglaublich vieles durch das Internet, es gibt aber auch fette Fotobücher, in welchen alle möglichen Geigen der Welt im Maßstab 1:1 abgebildet sind. Außerdem kommen wir an alle Hölzer aus der ganzen Welt. Apropos: Ich beziehe mein Ahorn- und Fichtenholz von fahrenden Händlern aus Bosnien oder von Händlern aus den Dolomiten. Dabei ist es mir weniger wichtig, wie das Holz klingt, wenn man draufklopft. Ich erfahre viel mehr über seine Tauglichkeit, wenn ich es mit meinen Fingern berühre und es auf diese Art hören kann.

Hier schneidert Geigenbauerin Pasch Musikern ihre Instrumente "auf den Leib".
Foto: Nathan Murrell

Viel Zeit meiner Arbeit benötige ich für die Klangeinstellung und das Nachjustieren. Das nenne ich die 'unsichtbare' Arbeit. Nachdem ein Kunde seine Geige bekommen hat, kommt es im Schnitt über einen Zeitrahmen von zwei Jahren zu Nachjustierungen. Das kann aber auch nach zehn Jahren wieder mal nötig sein. Dafür reise ich bis nach Madrid, Paris oder London. Meine Arbeit besteht also nicht nur aus Handwerk, sondern aus sehr viel intensiver Kommunikation, Betreuung und Zuhören. Das ist die eigentliche Essenz. Die meisten meiner Kunden sind professionelle Musiker. Es kommt aber auch vor, dass ein vermögender Mensch eine Geige bestellt und sie dann einem jungen Talent leihweise zur Verfügung stellt, eine Art Mäzenatentum könnte man sagen.

Ich werde oft gefragt, ob ich etwas wie Trennungsschmerz verspüre, wenn ich eine Geige aus der Hand gebe. Das Gegenteil ist der Fall. Die Geige ist doch erst richtig fertig, wenn sie gespielt wird und klingen darf. Das mag sich eigenartig anhören, aber ich gebe sie weiter, damit sie als Persönlichkeit wachsen kann. Neulich ging ein Musiker von hier fort und sagte: 'Ich bin der glücklichste Mann der Welt.' Solche Menschen auf einer meiner Geigen spielen zu hören ist etwas ganz Besonderes. Ich liebe zum Beispiel das Streichquartett Opus 74 von Beethoven oder Brahms' 4. Symphonie. Es ist unglaublich spannend, wie groß eine Geige mitunter klingt und wie intim sie gleichzeitig rüberkommen kann. In diesen intimen Momenten spricht sie zu ihren Hörern. Ach ja, und noch etwas: Die perfekte Geige gibt es nicht, genauso wie es den perfekten Menschen nicht gibt." (Michael Hausenblas, Rondo, 12. 7. 2019)

www.paschviolins.com


Diese Geschichte entstand im Rahmen eines Schwerpunktes zum Thema Instrumentenbauer im RONDO.
Foto: Nathan Murrell