Die Ereignisse auf der Finca in Ibiza beschäftigen intensiv die Justiz

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Es sei womöglich "der erste Akt in der Geschichte der Justiz, der mit einer Weisung beginnt": So beschreibt ein Justizmitarbeiter die Ermittlungen, die nach dem Erscheinen des berüchtigten Ibiza-Videos aufgenommen wurden.

In der Weisung, die dem STANDARD vorliegt, beauftragt die Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) damit, Erkundigungen über das Video einzuholen und das Videomaterial zu beschaffen – soweit ein normaler Vorgang.

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Doch die Zeitleiste wirft bei einigen Beobachtern Fragen auf. Tatsächlich merkt man bei einem Blick hinter die Kulissen, dass die Justiz kurz nach dem Erscheinen des Videos am Freitag, den 17. Mai, rasch auf Betriebstemperatur war. Schon am Freitag erklärte der damalige Generalsekretär Christian Pilnacek im Kurier, dass die OStA mit einer Prüfung beauftragt wurde, sich der Zusammenhang anhand der wenigen Minuten Video, die veröffentlicht wurden, nicht beurteilen lässt.

Weisung und Klarstellung

Am Samstag kam dann die erste Weisung der OStA, und zwar kurz nach 21 Uhr abends. Tags darauf verkündete die OStA in Ö1, es gebe derzeit "keinen Anfangsverdacht". Den soll die WKStA, also die untergeordnete Behörde, da aber schon gehabt haben – tauchten doch bereits erste parteinahe Vereine auf, über die man Spenden hätte schleusen können.

Also folgte am Montag eine Klarstellung der Weisung, die von der OStA an die WKStA gegangen war: Diese hätte keineswegs die Absicht gehabt, Ermittlungen zu blockieren. Ebenfalls am Montag passierte dann eine Aufsplittung der Ermittlungen: Ab dann sollte sich die Staatsanwaltschaft Wien um die Suche nach den Hintermännern und Auftraggebern des Videos machen, während die WKStA sich um die Inhalte des Videos, also potenzielle Parteienfinanzierung, kümmern soll.

Das sorgt mittlerweile für Unmut. Da beide Ermittlungen als Verschlussakt geführt werden, dürfen keine Auskünfte über ihren aktuellen Stand gegeben werden. Immer wieder ist aus dem Umfeld der FPÖ aber zu hören, dass bei der Staatsanwaltschaft Wien nur wenig weitergehe und diese "stärker als die WKStA unter der Kontrolle des Justizministeriums" stehe. Man verweist darauf, dass Verfahren, die einen sachlichen Bezug zueinander haben, meist bei einer Staatsanwaltschaft gebündelt werden.

Der freiheitliche Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein sprach etwa davon, dass man das Gefühl habe, die Verantwortlichen wären "in den Dauerurlaub" verschwunden; er regte gleich einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Ibiza-Ermittlungen an.

Justiz bestreitet Intervention

Ganz anders sieht das das Justizministerium. In einer Anfragebeantwortung sagte Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner, er wolle festhalten, dass zu keinem Zeitpunkt "irgendein Vorhaben der WKStA, Ermittlungen einzuleiten, von einer übergeordneten Instanz 'torpediert, untersagt oder in sonstiger Weise erschwert wurde' ".

Weitere Weisungen seien laut Jabloner zumindest bis zum 12. Juli, dem Tag der Anfragebeantwortung, nicht erfolgt. Die Aufsplittung der Verfahren sei wiederum unter Verweis auf die Zuständigkeiten der WKStA zu erklären, sagt Sektionschef Christian Pilnacek. Tatsächlich wurden auch beim Verfahren gegen Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) immer wieder Verfahrensteile an "reguläre" Staatsanwaltschaften übergeben, etwa beim Verdacht auf nationalsozialistische Wiederbetätigung.

Auch das hektische Treiben hinter den Kulissen erklärt Pilnacek für normal. "Die Situation war außergewöhnlich, weshalb rasch gehandelt werden musste. Also, wenn man so will, angesichts der besonderen Umstände ein üblicher Vorgang", so Pilnacek.

Pünktlich zur Hochphase des Wahlkampfs dürfte die Causa Ibiza jedenfalls wieder an Fahrt aufnehmen. Am 22. August erscheint ein Buch der SZ -Redakteure Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, das neue Infos zu Szenen aus dem Video beschreiben soll. Und Strache will selbst die Hintermänner aufdecken. (Renate Graber, Fabian Schmid)