Porsche hat es sich wahrlich nicht leichtgemacht mit dem 911er. Gut, die Konstruktion des Heckantriebs – bei dem anders als beim Hinterradantrieb Motor und Getriebe im Heck des Fahrzeugs untergebracht sind – hat eine Reihe von Vorteilen. Er baut kompakt, durch den Entfall der Kardanwelle spart er zudem Platz im Innenraum, und er ist auch noch günstig herzustellen. Auf der anderen Seite stehen aber wenig Gepäckraum – was bei einem Sportwagen eh zum guten Ton gehört, und vor allem eine schlechte Achslastverteilung. Viel Gewicht hinten, wenig davon vorn ist in Sachen Fahrstabilität wie ein großer Magnet im Straßengraben. Während man bei flotter Fahrt manchmal das Gefühl hat, dass der Vorderwagen abhebt und man nur schlecht lenken kann, neigt das Heck zum freudigen Schwanzeln. Gerade die ersten 911 Turbos mit ihrem verzögerten, aber dann brutalen Ansprechen waren seinerzeit gefürchtet.

Der neue 911er ist von geradezu schlichter Eleganz: zumindest bis der Blick auf die fetten Walzen an der Hinterachse fällt – oder er in weniger als vier Sekunden auf 100 km/h sprintet.
Foto: Guido Gluschitsch
Grafik: der Standard

An dem Antriebskonzept festzuhalten war also für Porsche sicher keine leichte Entscheidung. Damit einen Sportwagen zu machen, der trotz dieser vorgegeben Schwächen um alle anderen Kreise fährt, eine noch viel diffizilere. Porsche griff da tief in die Trickkiste. Heute sind, um die Fahrstabilität zu erhöhen, nicht nur die hinteren Reifen regelrechte Gummiwalzen, sondern zur Mischbereifung kommt in der achten Generation des Neunelfer nun auch eine Mischbezollung in die Radkästen. Vorn drehen sich 19-Zoll-235er, hinten 20-Zoll-295er. Für wenig Gummiaffine: Ein 2CV hatte 15-Zoll-Felgen und eine Reifenbreite von 125 oder 135 Millimetern. Aber gut, die Ente musste ja nur maximal 30 PS auf den Boden bringen. Beim aktuellen Carrera S reden wir aber von stattlichen 450 PS.

Proberunde

Und der Respekt davor ist es, die einen Musiker-Freund bis heute davon abhielten, einen 911er zu fahren. Dabei würde ihm das Auto gefallen, und er könnte es sich leisten. Also bitten wir ihn, für uns eine Proberunde zu drehen. Und siehe da, er war mehr als überrascht. Der 911er ist kinderleicht zu fahren, nicht böse, dafür aber ein Meisterstück an Luxus und Design, so sein Urteil.

Auch innen ist der Porsche sportlich und trotzdem extrem elegant.
Foto: Guido Gluschitsch

Damit spricht er die nächste Sensation des neuen 911er an, nämlich wie Porsche das Design von 1963 bis heute so gelungen fortgeführt hat. Und das, obwohl Neuerungen wie Fußgängeraufprallschutz und jede Menge digitaler Wahnsinn, vom Bildschirm bis zu Sensoren rund ums ganze Auto, in der sportlichen Hülle Platz finden mussten.

Der achte 911er sei überhaupt der schönste, meint ein anderer Freund, einer, der eher nicht den Luxus, den Komfort und das Edle am 911er schätzt, sondern vielmehr seine Eignung für den Einsatz auf der Rennstrecke.

Und wehe...

Wenn dich diese schlichte und unaufgeregte Eleganz am Nürburgring in deinem aufgemotzten und aufgespoilerten Rennboliden wie in Zeitraffer überholt, ist das gleich die doppelte Demütigung.

Schauen wir noch schnell zwischen dem Lenkrad durch.
Foto: Guido Gluschitsch

Wie es geht, dass der 911er so ein fantastischer Rennwagen ist? Das liegt zum guten Teil an Walter Röhrl. Seit einer gefühlten Ewigkeit ist seine Meinung Gold wert, was die sportliche Abstimmung des Wagens betrifft. Wir haben kurzerhand den einen, den kleinen Knopf, rechts im Lenkrad nach ihm benannt.

Wie jedes bessere aktuelle Auto auch, hat der 911er einen Fahrdynamikschalter, wo man zwischen Komfort bis zu Sport plus die Abstimmung des Wagens komplett ändert. Doch damit eben noch nicht genug. Durch den Druck auf dem Knopf am Lenkrad spannt der Porsche für mehrere Sekunden jedes Bauteil an, um sein ganzes Potenzial abrufen zu können.

Das neue Heckdesign des 911er.
Foto: Guido Gluschitsch

Diese Fähigkeit interessierte aber den Musiker-Freund nicht. Er holte stattdessen seine Gitarre, um zu schauen, ob die auf den Rücksitzen Platz findet. Tut sie. Und der Verstärker passt in den Kofferraum vorn. Haargenau. Jetzt hat er was zum Nachdenken. (Guido Gluschitsch, 22.8.2019)