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Wien - Außenministerin Ursula Plassnik hat am Dienstag im Ministerrat angekündigt, dass Österreich während seines EU-Vorsitzes im Irak diplomatisch vertreten sein wird. Als Sondergesandte wird die renommierte Journalistin Gudrun Harrer, Leiterin des außenpolitischen Ressorts des STANDARD, vom Außenministerium nach Bagdad geschickt.

Aufgaben der EU-Präsidentschaft eigenständig vor Ort wahrnehmen

"Damit Österreich seine Aufgaben als EU-Vorsitzland im Irak erfüllen kann, ist eine eigene diplomatische Präsenz in Bagdad notwendig; nur dann sind wir in der Lage, die Aufgaben der EU-Präsidentschaft eigenständig vor Ort wahrnehmen zu können," begründete die Außenministerin die Bestellung Gudrun Harrers zur Sondergesandten des österreichischen EU-Vorsitzes im Irak.

Harrer: Große Herausforderung

Harrer selbst sprach von einer "großen Herausforderung, eine Botschaft zu übernehmen", obwohl sie bis dato nicht im Diplomatischen Dienst gearbeitet habe.

"Ein sicherer, stabiler und geeinter Irak liegt auch im Interesse der Europäischen Union. Daher beteiligen sich die EU-Mitgliedstaaten aktiv an den internationalen Bemühungen, den Irak beim politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau zu unterstützen", so Plassnik laut einer Aussendung des Ministeriums.

Magister Gudrun Harrer ist Orient-Expertin und Autorin von Büchern über den Irak sowie Lehrbeauftragte für moderne arabische Geschichte an der Universität Wien. Im besonderen hat sie sich mit der Tätigkeit der UNO-Inspektoren der IAEO (Internationale Atomenergie-Organisation) im Irak befasst und auch darüber ein Buch geschrieben. "Mit Frau Gudrun Harrer konnte eine anerkannte Expertin mit umfassenden persönlichen Kontakten im Land und der Region für diese sensible und wichtige Aufgabe gewonnen werden", sagte Plassnik zu der Bestellung.

Harrer wird in der so genannten "Grünen Zone" in Bagdad tätig sein, wo das höchste Maß an Sicherheit gewährleistet werden kann. Die Irak-Expertin ist ab sofort vom STANDARD karenziert, nach Ablauf des österreichischen Präsidentschafts-Halbjahres soll sie im Sommer/Herbst in ihrer bisherigen Funktion in die Zeitung zurückkehren.

Harrer: "Ich konnte nicht Nein sagen"

Mit dem Irak habe sie sich über zehn Jahre lang "intensivst beschäftigt", erläuterte Gudrun Harrer. "Ich konnte nicht Nein sagen." Die Neo-Diplomatin ist sich bewusst, dass sie "eine schwierige und gefährliche Aufgabe" vor sich hat. Allerdings sei das Risiko dadurch eingeschränkt, dass sie ihre Tätigkeit in der gut gesicherten "Grünen Zone" in Bagdad abwickeln werde, meinte die künftige österreichische Geschäftsträgerin in Bagdad. In dem schwer bewachten Bagdader Regierungsbezirk sind alle wichtigen internationalen Vertretungsbehörden untergebracht.

Maßgeblich an Islam-Konferenz beteiligt

Die Frage, wie denn eine Journalistin zu einer solchen Funktion kommt, drängt sich auf. Gudrun Harrrer sieht einen direkten Zusammenhang mit der großen Islam-Konferenz "Islam in einer pluralistischen Welt" Mitte November in Wien, an deren Vorbereitung und Abwicklung sie auf Ersuchen des Außenministeriums tatkräftig mitgewirkt hatte. Im Zuge der Konferenzvorbereitung hatte Harrer intensive Koordinierungsarbeit zwischen dem Außenamt und den prominenten ausländischen Teilnehmern, namentlich aus dem Irak, geleistet. "Ich war die Verbindungsfrau", speziell beim Irak-Dossier, so Harrer dazu. Sie stand nicht nur dem Außenamt mit Rat und Tat zur Verfügung, sondern betreute die irakische Seite - vertreten durch Präsident Jalal Talabani und die Politiker Hussain al-Shahristani und Adnan Pachachi.

Aus dieser Kooperation mit dem Außenministerium heraus habe es sich "ganz natürlich ergeben", dass die neue diplomatische Aufgabe an sie herangetragen worden sei, meinte Harrer nach ihrer Bestellung. Zugleich findet sie es "mutig" von einem Außenministerium, eine Person in diese Funktion zu holen, die größte Expertise auf dem Spezialgebiet Irak hat - aber eben keine gelernte Diplomatin ist.

"Ich fühle mich vom Außenministerium bei dieser Aufgabe gut unterstützt", freut sich die Irak-Expertin und künftige Geschäftsträgerin in Bagdad. Ebenso freut sie sich über die große Hilfestellung seitens des STANDARD. "Meine Zeitung war sehr kooperativ und verständnisvoll."

Publikation: "Kriegs-Gründe - Versuch über den Irak-Krieg"

Die Arabistin und profunde-Irak-Kennerin schrieb im Jahr 2003 das Buch "Kriegs-Gründe - Versuch über den Irak-Krieg", in dem die sie sich mit der dem Krieg zu Grunde liegenden US-Machtpolitik befasste und der (Nicht-)Existenz von Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins nachging. Im ersten Teil beleuchtet sie das Phänomen Massenvernichtungswaffen und stellt fest, dass es um solche gar nicht ging. Teil zwei schildert die Vorgeschichte des Krieges und die Erkenntnisse von Chefwaffeninspektor Hans Blix. In Teil drei werden die Kriegsgründe an der Faktenlage gemessen.

Gutes Verhältnis zur IAEO und ElBaradei

Das Thema Massenvernichtungswaffen ließ Harrer nicht mehr los. In der Zwischenzeit führte sie bei der Atomenergie-Organisation (IAEO) intensive Recherchen zu diesem Thema und speziell über die Tätigkeit der UNO-Waffeninspektoren durch, die im Vorfeld des Irak-Kriegs der USA im Auftrag des Weltsicherheitsrates dem mutmaßlichen Waffenarsenal Saddams nachspürten. Sie genießt großes Vertrauen bei IAEO-Generaldirektor Mohammed ElBaradei, der vor wenigen Tagen den Friedensnobelpreis erhielt. (red/APA)