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In Fernsehkreisen gilt der Vergleich mit Hollywood noch immer als höchst erstrebenswertes Lob. Wenn also im Zusammenhang mit dem Regisseur des TV-Dreiteilers Die Manns (ab 17. De- zember in ORF und ARD) vom "deutschen Oliver Stone" die Rede ist, soll das durchaus schmeichelhaft gemeint sein. Ähnlich wie der amerikanische Kollege (JFK, Nixon) widme sich auch Heinrich Breloer in seinen Filmen vornehmlich der Aufarbeitung nationaler Affären, huldigte ihm die deutsche Presse. Tatsächlich hat sich der in Gelsenkirchen geborene 59-jährige Regisseur wild entschlossen auf beinah jedes für die Bundesrepublik bedeutende Ereignis gestürzt: In Staatskanzlei verfilmte er 1987 die das Land erschütternde Bespitzelungsaffäre rund um den Tod des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Den Grimme-Fernsehpreis bekam er dutzendfach, u. a. 1992 für Kollege Otto - die Coop-Affäre und 1993 für Wehner - die unerzählte Geschichte. Im Jahr darauf setzte Breloer seine "Waterkantgate"-Chronik mit einer weiteren Verfilmung des Barschel-Schicksals fort, und mit der Dokumentation über die Schleyer-"Landshut"-Entführung 1977 in Das Todesspiel gelang ihm endgültig der Durchbruch. Breloers Methode ist mittlerweile zum Markenzeichen geworden: Er verbindet Interviews und Archivmaterial mit Spielszenen und hat sich so als "Erfinder des Dokudramas" etabliert. Dass der promovierte Literaturwissenschafter (Dissertation: "Persönliche Erfahrung und ästhetische Abstraktionen") dabei früher oder später auf die Geschicke der deutschen Schriftstellerfamilie Mann stoßen würde, war keine Überraschung. Wenn der als impulsiv geltende Regisseur von seinem "bisher ehrgeizigsten Projekt" schwärmt, klingen die Sätze so staatstragend wie seine Filme: Es handle sich, meint Breloer, um die Dokumentation eines "Stücks deutscher Geschichte", und es bliebe "nicht mehr viel Zeit, sie zu vollenden, denn die Zeitzeugen sterben aus". Fast drei Jahre fuhr Breloer, Vater zweier Kinder und mit der Regisseurin Monika Windhusen verheiratet, für Die Manns durch die Lande. 126 Stunden Interviews mit 60 Zeitzeugen hat er für sein 140 Millionen Schilling teures Dokudrama gesammelt, das an drei Abenden zur besten Zeit auf Sendung gehen wird. Die Nachfrage besteht jedenfalls: Der Kultursender Arte freute sich Anfang Dezember über sensationelle Quoten, die beiden zur Serie herausgegebenen, im S.-Fischer-Verlag erschienenen Bücher sind Bestseller und lassen den Filmemacher den während seines gesamtes filmischen Schaffens nicht verstummen wollenden Vorwurf historischer Ungenauigkeit wohl recht leicht vergessen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 13. Dezember 2001)