Verfassung

ÖVP auf Konfrontation mit dem Rechtsstaat

Der Bundespräsident musste einschreiten, damit Finanzminister Blümel ein Urteil des Höchstgerichts umsetzt. Warum ließen die Türkisen die Situation so eskalieren? Eine Rekonstruktion

Am Donnerstag um 13 Uhr erreicht die Präsidentschaftskanzlei eine E-Mail. Es gab keine Vorwarnung, die Tragweite des Inhalts ist dennoch sofort allen klar: Alexander Van der Bellen muss handeln, unverzüglich. Es ist der 6. Mai 2021, es ist das erste Mal in der Geschichte Österreichs, dass ein Mitglied der Bundesregierung mit einem Exekutionsantrag konfrontiert ist. Der türkise Finanzminister Gernot Blümel hatte sich so lange geweigert, vom Ibiza-Untersuchungsausschuss geforderte Daten zu übermitteln, dass der Verfassungsgerichtshof nun den Bundespräsidenten beauftragt, sie holen zu lassen – egal wie. Man könnte sagen: Es ist die oberste Eskalationsstufe, mit der sich der Rechtsstaat gegen jemanden wehrt, der sich dem Höchstgericht widersetzt; ein Paragraf für so unwahrscheinliche Fälle, dass er im Jus-Studium zuweilen als totes Recht gelehrt wird. Nun trifft er Blümel.