"Seit zehn Jahren ist Wien die lebenswerteste Stadt der Welt, seit zehn Jahren gibt es Rot-Grün. Das ist kein Zufall. Warum sollten wir das ändern?", sagt Birgit Hebein, Spitzenkandidatin der Grünen in Wien. Die Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin stellte sich am Montag im STANDARD-Chat den Fragen der Userinnen und User und war damit der letzte Gast in der Reihe vor den Gemeinderatswahlen. Alle im Gemeinderat vertretenen Parteien waren geladen – bis auf Finanzminister Gernot Blümel, Spitzenkandidat der Wiener ÖVP, nahmen die Einladung alle an.

Wien als Vorbild

Hebein sagte, sie wolle Wien zur Klimahauptstadt machen. Vor hundert Jahren habe Wien sich zum Ziel gesetzt, das Leben der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern, habe Wohnungen und Spitäler gebaut und "wurde dafür bewundert". Jetzt könne Wien wieder Vorbild sein und die "dringend notwendige Mobilitäts- und Energiewende im Sinne des Klimaschutzes schaffen". Die Grünen seien seit zehn Jahren der Taktgeber in der Koalition und hätten den Mut "trotz Widerstand" Projekte umzusetzen, zum Beispiel das 365-Euro-Ticket, die Mariahilfer Straße und eine neue Bauordnung, "die leistbares Wohnen vorsieht".

"Keine Mehrheit der Menschlichkeit"

Gefragt wurde Hebein nach ihrer Position zur Aufnahme von Flüchtlingen und danach, wie sie erklären könne, dass die Abgeordneten der Grünen im Parlament bei einem entsprechenden Antrag nicht mitgestimmt haben. Derzeit gebe es keine Mehrheit der Menschlichkeit, sagte Hebein und hob gleichzeitig SPÖ, Neos und Grüne hervor, die in Wien einem Antrag zur Aufnahme von Flüchtlingen zugestimmt hatten. "Wir müssen weiter den Druck erhöhen, damit unter anderem Wien 100 Kinder aufnehmen kann. Gut, dass sich inzwischen auch ÖVP-PolitikerInnen zu Wort melden und hier auch christlich-soziale Werte einfordern", bezog sie sich auf die Bezirksvorsteherin des 8. Bezirks, Veronika Mickel (ÖVP), die das im Nachhinein so aber gar nicht gesagt haben will.

Ein User wollte wissen, wieso Hebein ein Gratis-Öffi-Ticket für ein Jahr fordere, wenn jeder Cent für den Ausbau der Straßenbahnen und U-Bahnen benötigt werde. Hebein dazu: "Wir lindern die Folgen von Corona und helfen dem Klima."

Auch das Projekt der verkehrsberuhigten Innenstadt verteidigte sie: "Die Zeiten sind vorbei, wo man lockerflockig in ein Auto steigt, um in der Innenstadt einen Kaffee zu trinken." Abkühlung durch Beschattung, Bäume, Wasser etc. seien ebenso notwendig wie eine "Umverteilung des öffentlichen Raums zugunsten der FußgängerInnen und FahrradfahrerInnen".

Soziale Durchmischung

Thema im Chat waren auch mögliche Ghettobildungen in Wien und was die Konzepte dagegen seien. "Wien ist mit Pariser Banlieues nicht zu vergleichen", so Hebein. Die Stadt könne stolz darauf sein, dass sie immer schon Wert auf soziale Durchmischung gelegt habe, zum Beispiel beim Wohnbau und bei der Stadtplanung. Sie hob ein Stadtentwicklungsgebiet im 10. Bezirk hervor, den Kempelen-Park. "Hier entsteht leistbarer Wohnraum, mit einer mittigen grünen Oase, öffentlich zugänglich für die gesamte Umgebung." Die jetzige Zwischennutzung einer Tischlerei mit jungen Arbeitslosen soll dort zudem langfristig übernommen werden.

In Sachen Schulen sagte Hebein, die Politik müsse mehr Augenmerk darauf legen, dass Bildung in Wien noch immer vererbt werde. "Jene Kinder in einkommensschwachen Familien haben noch immer schlechtere Chancen, daher braucht es einen Chancenindex und mehr personelle und finanzielle Unterstützung an deren Schulen."

Besseres Contact-Tracing

Angesprochen auf die Rekordzahlen bei der Hospitalisierung in Wien in der Corona-Epidemie (siehe Seite 9), sagte Hebein, dass Wien bisher gut durch die Krise gekommen sei. Die Kapazitäten in den Wiener Spitälern seien noch "ausreichend".

Wo man besser werden müssen, sei beim Kontaktmanagement und der "raschen Auswertung" der Testungen. "Dafür braucht es dringend mehr Personal, mobile Testteams und eine gute Kooperation aller Beteiligten."

Comeback des Gürtelpools

Und wie geht es mit dem Gürtelpool weiter? Wird er 2021 ein Comeback feiern? "Es gibt bereits viele Anfragen aus unterschiedlichen Bezirken, diesen Pool auch nächstes Jahr einzusetzen", so Hebein. Sie wies darauf hin, dass es sich um ein rot-grünes Projekt gehandelt habe und es eines von 50 Projekten der letzten Monate gewesen sei, "um unsere Stadt abzukühlen" und Aufenthaltsqualität zu schaffen.

Eine Koalition mit Türkis und Neos schloss Hebein abermals aus: "Ich habe von Beginn an festgehalten, dass ich für eine progressive Politik im Sinne der Gerechtigkeit, des Zusammenhalts, des Klimaschutzes stehe und für jede Form von Experimenten nicht zur Verfügung stehe." Ihr Wahlziel sei "das beste Wiener-Grüne-Ergebnis in Wien", so Hebein. (ook, rwh, 28.9.2020)

Nachlese:

Chat mit Christoph Wiederkehr (Neos)

Chat mit Heinz-Christian Strache (THC)

Chat mit Dominik Nepp (FPÖ)

Chat mit Michael Ludwig (SPÖ)

Gernot Blümel, Spitzenkandidat der ÖVP, nimmt an der Chatreihe des STANDARD nicht teil.

Birgit Hebein im Chat: "Wien ist mit Pariser Banlieues nicht zu vergleichen"