Am Dienstagabend sind Donald Trump und Joe Biden bei der ersten von drei TV-Diskussionen im US-Wahlkampf aufeinander getroffen. Sowohl der 74-jährige Amtsinhaber als auch sein 77-jähriger Herausforderer mussten dabei beweisen, dass sie noch immer die Geistesgegenwart besitzen, Fragen auch dann schnell und genau zu beantworten, wenn sie überraschend gestellt werden. Das war zumindest die Erwartung. Tatsächlich geriet die Debatte zu einer verbalen Schlammschlacht, in der nur wenige konkrete Punkte angebracht werden konnten – und wohl beide Kandidaten wenig Sympathien sammelten.

Moderiert wurde das Zusammentreffen von Fox-News-Anchor Chris Wallace. Er sollte die Diskussion eigentlich in sechs unterschiedliche Themenbereiche aufteilen, eingehalten wurden diese aber nur lose. Insgesamt mangelte es an Diskussionskultur. Besonders Trump fiel im Verlauf der äußerst ruppigen Debatte mit zahlreichen Unterbrechungen auf. Sein Ziel sei es gewesen, eine echte Diskussion zu unterbinden, urteilten Beobachter danach.

"You shut up, man!"

Aber auch Biden reagierte zunehmend ärgerlich auf den US-Staatschef. Unter anderem warf er Trump vor, keine Ahnung von seinem Job zu haben und nicht zu wissen, was er tue. Gleich beim Einstieg, eigentlich zum Thema Supreme Court, begann die Debatte zu entgleiten. Trump lobte die von ihm als Nachfolgerin der verstorbenen Ruth Bader Ginsburg nominierte Konservative Amy Coney Barrett. Biden warf ihm vor, mit seinen Richterbesetzungen die Gesundheitsversorgung Obamacare ruinieren zu wollen, auf die viele Amerikanerinnen und Amerikaner angewiesen seien. Viel weiter kam die Diskussion nicht, Trump unterbrach, und ließ sich selbst in Folge kaum mehr stoppen. Übrig blieb im Wortsalat eine Frage an Biden, ob dieser den Supreme Court vergrößern wolle, um so mehr liberale Richterinnen oder Richter ernennen zu können. Der Kandidat wich ihr aus und antwortete darauf nicht. "You shut up, man!" ("Halten Sie den Mund, Mann!"), sagte er dafür bald darauf zu Trump, als dieser ihn erneut unterbrach.

Kaum zivilisierter verlief der zweite Debattenteil zum Thema Coronavirus, in dem ebenfalls wenig Neues zu erfahren war. Biden geißelte Trumps langsame Reaktion, während der Präsident sein eigenes Handeln als schnell und entschlossen charakterisierte. Die Frage, ob er Vertrauen in eine schnell entwickelte Impfung habe, umschiffte dann Biden: Grundsätzlich glaube er Wissenschaftern, allerdings nur dann, wenn deren Job nicht von Trumps Wohlwollen abhänge sagte er. Zur Frage, ob die Wirtschaft auch in der Pandemie wieder geöffnet werden könne, traten deutliche Auffassungsunterschiede zutage: Unverantwortlich, fand Biden. Die Leute wollten Öffnungen, urteilte Trump. Noch weniger blieb von einem Segment zur Wirtschaft in Erinnerung, in dem Trump Erfolge feierte, die er bis zur Corona-Pandemie geschafft habe. Biden unterstellte ihm hingegen, einen von der Obama-Regierung geerbten Wirtschaftsboom versenkt zu haben.

Keine Distanzierung von Rechten, keine Zusicherung zur Wahl

Äußert unstimmig auch das vierte Segment: Gewalt in den Städten und Rassismus. Trump warf Biden vor, sich nicht von der Gewalt bei den Proteste gegen systemischen Rassismus in den USA distanziert zu haben, was Biden später in Abrede stellte. Er sei gegen Gewalt bei den Protesten, friedliche Demonstrationen müsse es aber geben dürfen. Trump gehe es darum, Öl ins Feuer zu gießen, weil er sich durch die Polarisierung Erfolg verspreche.

Wenig später schaffte der Präsident selbst dann keine Distanzierung. Ob er rechtsradikalen Gruppen und Vertretern weißen Überlegenheitsdenkens abschwöre, wollte Moderator Wallace von ihm wissen. "Fast alles was wir sehen, ist von links, nicht von rechts", sagte Trump. Auf die explizit gestellte Frage ging er hingegen nicht ein. Zur rechtsradikalen Gruppe Proud Boys sagte er: "Haltet euch zurück und haltet euch bereit".

Stimmzettel im Müll

Von den letzten beiden Segmenten – sie betrafen bisherige politische Errungenschaften und die Sicherheit der Wahl – blieb vor allem eine weitere Weigerung des Präsidenten in Erinnerung. Er könnte nicht garantieren, dass er seine Anhänger zur Ruhe aufrufen werde, wenn er mit dem Ergebnis der Wahl nicht zufrieden sei, sagte Trump. Er sprach mehrfach, ohne Beweise zu nennen, von Wahlchaos, das es bereits jetzt in den USA gebe, und von Briefwahlzetteln, die im Müll landen würden.

Biden versicherte im Gegenzug, er selbst werde jedes Resultat anerkennen, und im Falle eines Sieges "der Präsident aller Amerikaner sein". Wichtig sei nun vor allem, sich von den Aussagen des Präsidenten nicht einschüchtern zu lassen, fügte er an. Wahlberechtigte dürften keinesfalls darauf verzichten, ihre Stimme abzugeben.

Eine erste Umfrage des Instituts YouGov und des TV-Senders CBS sah am Ende Biden mit Vorteilen. 48 Prozent der Befragten beurteilten ihn als Sieger, 41 Prozent Trump. Eine Erhebung von CNN sah Biden 60 zu 28 als Sieger. (mesc, maa, 29.9.2020)

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