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Liveticker-Nachlese: Harris und Pence kämpften in TV-Debatte um die Stimmen der Mitte

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Die Running Mates Mike Pence und Kamala Harris lieferten sich am Mittwoch in Salt Lake City ein weitgehend gesittetes Duell, in dem aber viele Fragen offen blieben


Salt Lake City – Freundliche Worte, weniger Unterbrechungen als zuletzt und gesittete Antworten – aber selten auf die gestellten Fragen. Beim Duell der beiden Kandidaten um die US-Vizepräsidentschaft zwischen Amtsinhaber Mike Pence und der demokratischen Senatorin Kamala Harris blieben viele Anliegen der Moderatorin Susan Page unbeachtet, dafür wurden viele zuvor einstudierte Themenbereiche abgeklappert. Sie sollten offenbar vor allem die unentschlossene Mitte der Wählerschaft ansprechen.

Die Redakteurin der Zeitung "USA Today" wollte etwa gleich zu Beginne wissen, was eine Regierung des Demokraten Joe Biden in der Corona-Bekämpfung anders machen würde als jene von Präsident Donald Trump. Harris antwortete darauf mit einem Verweis auf das Wissen, das Trump und Pence schon im Jänner über die Gefahren durch Corona gehabt hätten. Sie und Biden würden eine solche Krankheit nicht genauso herunterspielen wie ihre Gegenüber. Pence antwortete, das stimme nicht: Trump habe die Seuche von vornherein ernst genommen und daher schon im Jänner die Grenzen für Reisende aus China geschlossen – was, wie Fact-Checker anmerkten, so nicht ganz stimmt.

Auf die Frage, ob sie mit ihren jeweiligen Chefs (74 und 77 Jahre alt) ein Gespräch über die mögliche Nachfolge geführt hätten, antworteten beide nicht. Harris betonte allerdings, sie und Biden hätten sehr ähnliche Werte – was wohl eine Kontinuität, im Falle des Falles, nahelegen sollte. Die Debatte nach Transparenz nutzte die Senatorin zudem für einen Seitenhieb auf die noch immer ungeklärte Frage von Trumps Steuern.

Steuern "am ersten Tag"

Eine gute Überleitung zum Thema Wirtschaft, fand Moderatorin Page. Wollen Biden und Harris wirklich die Trump-Steuersenkungen wieder rückgängig machen? Trump habe nur den Reichen geholfen, sagte die Kandidatin. Sie und Biden seien für eine ausgeglichene Wirtschaft. Pence sah das als Eingeständnis: Schon "am ersten Tag im Amt" würden Harris und Biden die Steuern anheben, behauptete er. Und er verwies auf den "Green New Deal", eine Initiative vom linken Flügel der Demokraten, die Harris zwar einst unterstützt hatte, Biden aber nie. Auch dieser werde teuer, meinte er, dessen ungeachtet – und behauptete, Biden wolle Fracking verbieten. Dies, so hat jedenfalls Biden selbst mehrfach versichert, stimmt allerdings nicht mit dessen Plan überein. Der Ex-Vizepräsident will lediglich ab etwa 2030 keine neuen Fracking-Projekte mehr zulassen.

Beim Thema Klimawandel, das passend folgte, sagte Pence, für ihn würden amerikanische Jobs im Zentrum der Überlegungen stehen. Das Klima ändere sich, gestand er ein. Dass dies ein Effekt menschlicher Handlungen sei, wollte er so aber nicht sagen. Harris betonte, Joe Biden glaube an die Wissenschaft. Und sie erinnerte in diesem Zusammenhang an Präsident Trump, der nach den Bränden in Kalifornien gesagt habe, auch die Forscher würden das Klima nicht verstehen.

Friedliche Machtübergabe nicht versprochen

Nach einer kurzen Debatte über die Außenpolitik – Pence warnte vor angeblicher Befangenheit Bidens in Sachen China, Harris erinnerte an eine Umfrage zu mangelndem Vertrauen in vielen Ländern zu Trump – stand der Supreme Court auf dem Debattenplan. Pence antwortete auf die Frage, ob er persönlich für ein Abtreibungsverbot wäre, sollte das Höchstgericht dies möglich machen, ausweichend. Stattdessen beschuldigte er die Demokraten, Trumps Kandidatin Amy Coney Barrett wegen ihres streng christlichen Glaubens anzugreifen. Harris sagte dazu, sie selbst und auch Biden seien gläubige Menschen, Angriffe lägen ihr und ihren Mitstreiter fern. Das Recht von Frauen, über ihren Körper zu bestimmen, werde sie aber stets verteidigen. Keine Antwort gab sie, wie auch Biden vor einer Woche, auf die Frage, ob sie für eine Vergrößerung des Sup reme Court sei, um dort ein ideologisches Gleichgewicht wiederherstellen zu können.

In der Debatte um Rassismus in den USA wurden bekannte Argumente ausgetauscht. Harris begrüßte und verteidigte die jüngsten Proteste, verurteilte aber Gewalt. Pence warf ihr dennoch vor, diese gutzuheißen oder zumindest zu tolerieren. Am Ende ging es dann um die Frage, ob es nach der Wahl in jedem Fall eine friedliche Machtübergabe geben werde. Trump hatte das ja zuletzt infrage gestellt, er spricht von Wahlbetrug durch die Demokraten, kann aber keinerlei Belege dafür vorlegen. Es gehe nun zunächst darum, zu wählen, sagte Harris. Die Stimmabgabe sei das Wichtigste. Pence rang sich nicht zur Aussage durch, er werde eine friedliche Übergabe garantieren. Ohnehin werde diese nicht nötig sein, er glaube an den Sieg Trumps.

In Erinnerung blieb von der Debatte auch eine Fliege, die sich etwa 20 Minuten vor dem Ende auf Pence' Kopf niedergelassen hatte. Biden nutzte sie später, um Spenden zu sammeln. Eine Umfrage des TV-Senders CNN unter Zuseherinnen und Zusehern der Debatte sah Harris danach als Siegerin der Debatte. 59 Prozent der Befragten sahen sie voran, 39 Prozent Mike Pence. (red, 8.10.2020)