Washington – Am Dienstag hat das Verfahren zur Amtsenthebung des früheren US-Präsidenten Donald Trump im Senat begonnen. Die Demokraten wollen ihn wegen des Sturms seiner Anhänger auf das Kapitol am 6. Jänner zur Verantwortung ziehen. DER STANDARD tickert den Auftakt des Prozesses live.

Die Sitzung begann mit einer Debatte darüber, ob ein solches Verfahren überhaupt verfassungsgemäß ist, da Trump bereits aus dem Amt ausgeschieden ist. Eine Mehrheit von 56 zu 44 Senatoren stimmte zu, dass der Prozess verfassungskonform sei, damit kann er in den nächsten Tagen weitergehen.

Vor zwei Wochen stellten sich noch 45 der 50 der republikanischen Senatoren hinter einen Antrag, den Prozess für verfassungswidrig zu erklären, da Trump nun nicht mehr im Amt ist. Er sei inzwischen eine Privatperson und könne deswegen nicht vom Senat belangt werden. Nun stimmte mit Bill Cassidy (Louisiana) ein Republikaner weniger für die Verfassungswidrigkeit des Prozesses.

Mehrheit der Verfassungsrechtler stimmt zu

Die Demokraten sehen das anders und haben dabei eine Mehrheit der Verfassungsrechtler auf ihrer Seite. Ihr Argument: Sollte ein Präsident nicht auch nach seiner Amtszeit zur Rechenschaft gezogen werden können, wäre dies ein Freifahrtschein für Verstöße gegen die Verfassung in den letzten Amtswochen.

Es gibt auch Präzedenzfälle: So führte der Senat 1876 ein Amtsenthebungsverfahren gegen Kriegsminister William Belknap, obwohl dieser kurz vor der Anklageerhebung zurückgetreten war. Letztlich ist die Frage aber nicht eindeutig geklärt.

Für eine Verurteilung Trumps wird allerdings eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Senatoren benötigt. Es müssten sich also auch 17 Republikaner gegen Trump stellen, was fast ausgeschlossen ist.

Vier Stunden Debatte

Anklage und Verteidigung hatten am Dienstag jeweils zwei Stunden Zeit für ihre Argumente zur Frage, ob der Prozess verfassungswidrig ist oder nicht. Neun Abgeordnete der Demokraten unter Leitung von Jamie Raskin führen als sogenannte Impeachment Manager die Anklage. Sie begannen ihre Ausführungen mit einem Video, das noch einmal das Geschehen vom 6. Jänner zeigte und das auch Verletzungen und Todesfälle präsentierte, die sich durch die Stürmung des Kapitols ergeben hätten. Wenn es nicht rechtmäßig sei, gegen Trump nun ein Impeachment-Verfahren zu eröffnen, dann gebe dies künftigen Präsidenten alle Freiheiten, in ihren letzten Amtswochen gegen das Gesetz zu verstoßen. "Wenn das keine Tat ist, die Impeachment rechtfertigt, dann gibt es keine", so Raskin.

Trumps Anwalt Bruce Castor lobte in seiner Rede zunächst den Senat und führte dann aus, dass es sich bei dem Prozess um ein politisches Verfahren und eine Strafe für freie Rede handle. Die Demokraten sollten sich gut überlegen, ob sie ab nun bei jedem Präsidenten Impeachment-Verfahren sehen wollten. Zudem sei der Prozess ungesetzlich, weil er nach der Amtszeit Trumps stattfinde – ein Argument, für das die Ankläger zuvor schon zahlreiche gegenteilige Argumente vorgewiesen hatten. Trumps Anwalt David Schoen sagte nachher, das Verfahren würde den Feinden der USA Freude bereiten. Es würde die Teilung der Nation vorantreiben. Zudem sprach er rund eine Stunde lang zur Frage der Verfassungsmäßigkeit, die er nicht gegeben sah.

Amtsverbot möglich

Die Dauer des Prozesses ist noch unklar. Der erste Impeachment-Prozess im Senat gegen Trump dauerte vergangenes Jahr knapp drei Wochen, diesmal haben aber beide Seiten Interesse daran, dass es schneller geht. 16 Stunden bleiben noch für Argumente, danach können die Abgeordneten vier Stunden lang Fragen stellen. Schließlich könnten noch Zeugen geladen werden. Ob das passieren wird, ist unsicher.

Gesetzliche Unklarheiten gibt es, was ein mögliches Verbot für Trump betrifft, auf Bundesebene jemals wieder für ein Wahlamt zu kandidieren. Die Meinungen von Rechtsexperten gehen auseinander, ob sich das nur als Teil seiner Verurteilung gesetzlich festschreiben ließe, also ob es dafür, wie für das Impeachment, eine Zweitdrittelmehrheit braucht, oder nur eine einfache Mehrheit. Letztere könnte auch ohne Verurteilung abgehalten werden.

"Wir werden zum Kapitol gehen"

Dem am 20. Jänner aus dem Amt geschiedenen Trump wird "Anstiftung zum Aufruhr" vorgeworfen, weil er kurz vor dem Sturm auf das Kapitol vor seinen Anhängern eine Rede gehalten hatte, in der er unter anderem seine Lügen von massivem Wahlbetrug wiederholte und sagte: "Wir geben uns nicht geschlagen, wenn Diebstahl im Spiel ist. Unser Land hatte genug. Wir werden uns das nicht mehr gefallen lassen." Später rief er seinen Anhängern auch explizit zu: "Wir werden zum Kapitol gehen", und: "Wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben."

Trump musste sich vor einem Jahr schon einmal einem Amtsenthebungsverfahren stellen. Das Verfahren endete für ihn mit einem Freispruch im – damals noch republikanisch dominierten – Senat. (red, 9.2.2021)

Ticker-Nachlese: US-Senat sieht Impeachment-Prozess gegen Trump als verfassungskonform an