Ohne die jüngsten Ermittlungen der WKStA wäre die heimische Politik eine andere: Dann wäre Sebastian Kurz womöglich noch Kanzler und Gernot Blümel weiterhin Finanzminister. Aber die weitreichenden Untersuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft halten vor allem die ÖVP auf Trab; sie sind auch Hauptthema des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses. Im Zentrum der Sitzungen werden aber besonders die justizinternen Querelen stehen, an denen die WKStA beteiligt ist.

Die sah sich in ihrer Arbeit jahrelang durch ihre Oberbehörden behindert, also vor allem durch Hans Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, und durch den mittlerweile suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek. Auch die polizeilichen Ermittler der Soko Tape, zum Beispiel den jetzigen Direktor des Bundeskriminalamts Andreas Holzer, ordnete die WKStA als Verbündete von Pilnacek und Fuchs ein. Deshalb entzog sie der Soko unlängst alle Ermittlungsaufträge rund um die großflächigen Ibiza-Korruptionsermittlungen.

Zwar gab es bereits weitreichende Änderungen – Fuchs hat nicht mehr die Aufsicht über Causen der WKStA, Pilnacek wurde suspendiert, Berichtspflichten wurden reduziert –, zufrieden ist die WKStA mit ihren Arbeitsbedingungen aber noch immer nicht, wie unlängst Gruppenleiter Bernhard Weratschnig im U-Ausschuss berichtete. In einem offenen Brief forderte die WKStA daher von Justizministerin Alma Zadić, ihr noch mehr zur Seite zu springen.

WKStA-Leiterin sieht Abstoßendes und Ungewöhnliches

Am Mittwoch wurde Zadić zu vielen Problemfeldern in der Justiz befragt. In ihrem Eingangsstatement wollte sie aber den Blick nach vorne richten und kündigte das Reformprogramm "Justiz 2030" an, dessen erster Themenblock die Unabhängigkeit der Justiz sein soll. Die Ministerin erklärte, bereits einige Schritte gesetzt zu haben, um die Arbeitsbedingungen der WKStA zu verbessern. So habe sie Fuchs die Dienstaufsicht über Causen der WKStA entzogen und dessen Suspendierung angeregt, was der Oberste Gerichtshof jedoch abgelehnt habe.

Die WKStA erhielt zehn Prozent mehr Planstellen, ihr Führungsteam soll um eine dritte Erste Stellvertreterin von Behördenleiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vergrößert werden. Deren Entscheidung, der Soko Tape die Ermittlungen zu entziehen, habe Zadić erst im Nachhinein erfahren. Die Ermittlungen seien aber "nicht gefährdet"; wer die WKStA künftig unterstütze, werde gerade verhandelt. Ihre Unterstützung äußerte Zadić für die Entscheidung der WKStA, der Rechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher keine Akten mehr zu schicken. Aicher hatte die Korruptionsstaatsanwaltschaft scharf kritisiert und sich dabei von der Kanzlei Ainedter & Ainedter beraten lassen, die auch Beschuldigte in der Causa Umfragen und Casag vertritt.

WKStA-Leiterin sieht Verbesserungsbedarf

Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA, sieht jedoch weiterhin Verbesserungspotenzial. In der Dienstaufsicht habe sich eine "systemische Problematik" gezeigt, sagte sie. Für sie sei sogar eine Aufsicht durch unabhängige Gericht statt Oberbehörden vorstellbar. Die Chats zwischen Pilnacek und Fuchs seien für sie ausschlaggebend dafür gewesen, der Soko Tape alle Ermittlungsaufträge zu entziehen. "Das war eine Entwicklung und kein Schnellschuss", sagte Vrabl-Sanda zu ihrer Entscheidung.

Als durchaus WKStA-kritisch zeigte sich in seinen Aufsätzen auch der Jurist Eckart Ratz, der einst Präsident des Obersten Gerichtshofs war. Er wird am Donnerstag befragt werden, genauso wie der frühere Justizminister und Verteidiger Wolfgang Brandstetter. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt gegen ihn im Zusammenhang mit Geheimnisverrat durch Christian Pilnacek, beide bestreiten die Vorwürfe. Zu seinem ehemaligen Generalsekretär Pilnacek pflegte Brandstetter ein gutes Verhältnis; publik gewordene Chats zwischen den beiden führten vergangenes Jahr zum Rückzug Brandstetters als Verfassungsrichter.

Außerdem geladen ist am Donnerstag eine hochrangige Justizbeamtin, die über ihre Wahrnehmungen zum hausinternen Konflikt mit der WKStA befragt werden soll. (fsc, gra, 30.3.2022)

Hans Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, suspendiert und angeklagt