Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu mutmaßlicher ÖVP-Korruption nähert sich seinem vorläufigen Finale: Mittwoch und Donnerstag finden die letzten beiden Sitzungen statt, bevor sich das Gremium in die Sommerpause verabschiedet. Passenderweise steht die Befragung einer kontroversen Person an, die im Ausschuss organisatorisch, aber auch personell eine wichtige Rolle spielt: nämlich Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Er leitet als Nationalratspräsident ja automatisch auch den Vorsitz im U-Ausschuss, von dieser Aufgabe hat er sich trotz massiver Kritik seitens aller anderen Parteien nicht zurückgezogen – und das kann er nur selbst. Die Opposition hinderte seine Vorsitzführung aber nicht daran, ihn selbst zu laden; das passierte so ja schon im Ibiza-U-Ausschuss.

Die Befragung begann gleich in hitziger Stimmung, die offenbar einer nichtöffentlichen Debatte zuvor geschuldet war. So war ein Aktenvermerk von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl diskutiert worden, demzufolge die Verfahrensanwältin, die für Beschuldigtenrechte zuständig ist, ein ausgeteiltes Aktenstück aus dem Bestand der SPÖ gegen deren Willen an die ÖVP weitergegeben habe.

Eklat um Verfahrensanwältin

Die Sache hatte sich folgendermaßen zugetragen: Die SPÖ teilte in der letzten Sitzung einige Dokumente zu Umfragen des Instituts Demox aus, machte dabei aber einen Fehler: Die ersten beiden ausgeteilten Seiten enthielten persönliche Daten. Deshalb zog eine Referentin der SPÖ im Sitzungssaal eine Runde, um bei allen Fraktionen die ersten zwei Seiten der ausgeteilten Dokumente abzureißen.

Die Verfahrensanwältin Barbara Weiß, die für die Wahrung von Persönlichkeitsrechten bei Auskunftspersonen zuständig ist, habe die beiden Seiten aber nicht wieder der SPÖ übergeben, sondern dem ÖVP-Abgeordneten Kurt Egger übergeben, hielt ein Referent von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl in einem Aktenvermerk fest. Die türkise Fraktion habe so die persönlichen Daten studieren können.

Pöschl und seine Stellvertreterin Christa Edwards forderten daraufhin in einem Brief an den Ausschussvorsitzenden Sobotka "Konsequenzen", da Weiß "die für ihre Funktion erforderliche Äquidistanz nicht eingehalten" habe. Weiß selbst gab an, eine Referenten der SPÖ habe ihr die Seiten "mit Gewalt entreißen" wollen. "Ich wehrte mich gegen den Angriff und behielt das Dokument", schrieb Weiß. Sie habe "das Dokument dem Abgeordneten Egger" weitergeben und gemeint, er solle sich "selbst am Dokument informieren", weil sie wolle, dass alle "denselben Wissensstand" hätten.

Vorwurf der Postenkorruption

Zurück zu Sobotka: Dessen Kabinettschef war ja Michael Kloibmüller, dessen Handydaten mutmaßlich von ehemaligen Verfassungsschützern ausgelesen und verbreitet worden sind. Das brachte Kloibmüller und dann auch Sobotka Ermittlungen wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch ein. Beide bestreiten das, es gilt die Unschuldsvermutung.

Im U-Ausschuss wurde Sobotka etwa zu einer "Interventionsliste" befragt, die er laut Kloibmüller-Chats angelegt haben wollte. Sobotka meinte, hinter dieser Liste sei ein "Dienstleistungsgedanke" gestanden; die Liste habe nur dazu gedient, Anliegen zu sammeln. Er gehe davon aus, dass weitergegebene Wünsche stets "lege artis" behandelt worden wären.

Zu Aufträgen an Agenturen oder Förderungen für Projekte – etwa 771.000 Euro für die Flüchtlingsrückführungs-NGO von Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger – wollte Sobotka nichts Konkretes sagen. Die Abwicklung sei Sache "der zuständigen Linie" gewesen.

Interimistischer BAK-Chef: Verhältnis zu WKStA "friktionslos"

Nach Sobotka waren dann zwei Beamte des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung und -prävention (BAK) geladen. Dieses steht seit zwei Jahren ohne Chef da, nachdem dem vormaligen Direktor Andreas Wieselthaler ungebührliches Verhalten im Job vorgeworfen worden ist. Die Opposition denkt, dass das türkise Innenministerium das BAK ausbluten lassen will, um stattdessen Ressourcen in anderen Behörden wie dem Bundeskriminalamt zu stärken. Dort war ja auch die umstrittene Soko Tape angesiedelt, die für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Ibiza-Verfahren tätig war. Mittlerweile hat die WKStA durchgesetzt, wieder mehr mit dem BAK zusammenarbeiten zu können.

Das Verhältnis zur WKStA sei jedenfalls "friktionsfrei", sagte der interimistische BAK-Direktor Otto Kerbl. Warum die Soko Tape nicht mit Mitarbeitern aus dem BAK besetzt worden sei, wisse er nicht. Bei besonders sensiblen Fällen werde Kerbl vor einer Maßnahme "grob informiert", in der Causa Beinschab etwa am Tag vor den Hausdurchsuchungen in Kanzleramt und ÖVP-Zentrale. Leaks könne er ausschließen und darüber wolle er auch nicht spekulieren. (red, 13.7.2022)

U-Ausschuss befragte interimistischen BAK-Chef Otto Kerbl