Der U-Ausschuss fokussierte sich am Donnerstag auf die Verhältnisse in Tirol – und da vor allem auf die Frage, wie viel Steuergeld an ÖVP-Organisationen ging. Erste Auskunftsperson in der oft recht emotional geführten Sitzung mit letztlich zehn Stehungen war Martin Malaun, Landesgeschäftsführer der ÖVP Tirol. Er wurde von SPÖ-Fraktionsvorsitzendem Jan Krainer mit seiner Tätigkeit beim Tiroler Pressverein konfrontiert, das im Wahlkampf ein Magazin für die ÖVP publiziert haben soll. Die Befragung gestaltete sich mehr als mühsam, weil die ÖVP unter Fraktionsvorsitzendem Andreas Hanger die Rechtmäßigkeit fast jeder Fragestellung bestritt – und auch Malaun nicht auskunftsfreudig war.

Hintergrund der Causa ist die Frage, wie eng Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend (TJB/LJ) mit der ÖVP verbunden ist. Zu eng, um Corona-Hilfen zu bekommen, hieß es diese Woche aus dem Sportministerium von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Das hatte geprüft, ob Vereine zu Unrecht Geld aus dem NPO-Fonds bekommen hatten – waren parteinahe Organisationen doch explizit von den Förderungen ausgeschlossen.

Unabhängig oder abhängig?

Die TJB/LJ hatte argumentiert, dass ihre Ortsorganisationen unabhängig seien und gemeinnützige Leistungen durchführten; dagegen stand nicht nur, dass sie sich selbst als "Jugendsektion des Bauernbunds" bezeichnete und ihren Landesobmann Dominik Traxl im ÖVP-Wahlkampf unterstützte, sondern auch, dass gemäß Statuten ihre Unabhängigkeit von der ÖVP-Teilorganisation stark eingeschränkt ist. Gilt die TJB/LJ fortan als offizieller Teil der ÖVP, könnte das einen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich ziehen – etwa was das offizielle Magazin der Vereinigung betrifft. "Logo" wird von der Landjugend Österreich herausgegeben, Medieninhaber ist aber die TJB/LJ. In der Tiroler Ausgabe wirbt nicht nur das Landwirtschaftsministerium, sondern auch das Land Tirol. Sie werden auch als Förderer angeführt, ebenso das Kanzleramt.

Mit Fragen dazu wurde dann die zweite Auskunftsperson, Landeshauptmann-Stellvertreter und Bauernbund-Obmann Josef Geisler bedacht. Er gab an, dass die Jungbauernschaft schon die Jugendsektion des Bauernbunds sei; die Ortsorganisationen, die Corona-Hilfen bekamen, aber eben kein Teil der ÖVP-Teilorganisation. Das quittierte die FPÖ mit der Ankündigung, eine Anzeige wegen falscher Zeugenaussage zu überlegen. In die Antragstellung sei Geisler jedenfalls nicht involviert gewesen.

Die Krux mit Inseraten

Auch hier kommt das merkwürdige Konstrukt hinter der TJB/LJ ins Spiel: Es ist unklar, in welcher Rechtsform sie existiert. Der Bauernbund ist ein Verein, die Jungbauernschaft dessen Jugendsektion. Die Landjugend ist Teil der Landwirtschaftskammer. Gemeinsam betreiben sie aber die TJB/LJ.

Laut ihren Rechenschaftsberichten erzielte die ÖVP Tirol in den Jahren 2018 und 2019 keine Einnahmen aus Sponsoring oder Inseraten. Gleichzeitig warb der Landessekretär der TJB/LJ von einer "Bauernbund Tirol"-E-Mail-Adresse beim Landwirtschaftsministerium offensiv um Inseratenschaltungen. Als "Normalpreis für 1 Seite" wurde damals ein Gesamtpreis von 3.200 Euro angegeben; die Zeitschrift erreicht laut eigenen Angaben rund 14.000 Menschen. Addiert ergeben sich da durchaus beträchtliche Einnahmen von schätzungsweise rund 50.000 Euro pro Ausgabe.

Eine Rückfrage bei der TJB/LJ, wie man das dort sieht, trifft auf Unverständnis: Die Frage, was die Entscheidung des Sportministeriums für Inserate bedeutet, "verstehen wir nicht". Im Landwirtschaftsministerium ist man hingegen nach wie vor der Überzeugung, dass die Landjugend Tirol ein anderer Verein als die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend sei (im Verein wurde die "Landjugend Tirol" aber gelöscht). "Fragen zur Struktur der Tiroler ,Jungbauernschaft/Landjugend' sind bitte an die Organisation zu richten", sagt das Landwirtschaftsministerium.

Brisante Unterlagen

Wie die TJB/LJ nun auf die Entscheidung des Sportministeriums bezüglich NPO-Fonds reagiert, ist unklar. Man wolle "prüfen", hieß es zu Wochenbeginn. Bei einer ausbleibenden Rückzahlung könnte jedenfalls die Finanzprokuratur aktiv werden und das Geld zivilrechtlich einklagen. Jungbauern-Obmann Dominik Traxl, der als dritte Auskunftsperson geladen war, gab sich ebenfalls recht unwissend. Er sei jedenfalls davon ausgegangen, "dass Infos der Landjugend Österreich" stimmen; dass die Orts- und Bezirksorganisationen in Tirol mehr als 800.000 Euro erhalten hatten, habe er aus den Medien erfahren.

Ob man mit 18 Jahren automatisch Bauernbund-Mitglied werde? Er "persönlich" sei der Auffassung "dass das nicht so" sei. Wohin die Inserateneinnahmen flossen? Das wisse er nicht.

Allerdings zauberte die Opposition während der Sitzung ein brisantes Papier aus dem Hut: Notizen zu einer innerparteilichen Besprechung bei der ÖVP. Der Anwalt und Abgeordnete Klaus Fürlinger soll dort das "Ausreißer"-Verhältnis der Jungbauern zur ÖVP thematisiert haben – und darauf hingewiesen haben, dass die Jungbauern "als nahestehende Organisation einer politischen Partei angesehen werden kann", weil Jungbauernschaftsmitglieder automatisch Bauernbund- und somit ÖVP-Mitglieder würden. Die ÖVP zweifelte die Authentizität des Papiers an.

Prominenz im U-Ausschuss

Die Opposition ist jedenfalls empört. Sollte man sich weiterhin weigern, das Geld zurückzuzahlen, "begibt man sich an die Grenze zum Strafrecht", sagte Neos-Abgeordneter Yannick Shetty bei einer Pressekonferenz in Innsbruck, wo er im Landtagswahlkampf aktiv ist. "Warum muss sich die ÖVP nicht an Gesetze halten, jeder andere Mensch aber schon?", fragt Shetty. Sollte die TJB/LJ das rückgeforderte Geld tatsächlich "rechtswidrigerweise behalten", sollte sie zumindest offenlegen, wohin das Geld geflossen sei.

Grüne: "Wählertäuschung"

Bekannt sei die TJB/LJ dafür, Feste zu organisieren – das sei aber in der Pandemie sowieso nicht gegangen, sagt Shetty. "Das wäre sicher eine interessante Recherche", die Forderung sei aber "klar": Das Geld müsse zurück zu den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, sagt Shetty. Dass die ÖVP jetzt in die "scheinbare Offensive geht, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten".

Die Neos hätten Inserate des Landes in der Jungbauernzeitschrift im Wert von 48.000 Euro entdeckt, das sei eine "versteckte Form der Parteienfinanzierung", mit "geringem Informationswert". Die Causa lege das "Problem System ÖVP" offen, es brauche einen "Neustart", bei dem nicht 99 Prozent der Macht in einer Hand konzentriert seien, sagt Shetty in Hinblick auf die bevorstehende Wahl. "Es wird sich etwas verschieben in der Machtdynamik."

Sollten die Neos in der kommenden Regierung vertreten seien, müsse sich in Sachen Transparenz "etwas fundamental ändern"; etwa bei parteinahen Jugendorganisationen. Man wolle außerdem ein Verbot von Inseraten in parteinahen Medien, zielgerichtete Förderung und eine Zweckwidmung, sodass soziale Projekte Geld erhalten. (Fabian Schmid, 15.9.2022)

Besprechungspapier legt nahe: ÖVP wusste, dass Jungbauern Parteiverein sind