Der Strafprozess gegen den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ging am Freitag in die nächste Runde, und Einzelrichter Michael Radasztics hat mit den Zeugenbefragungen begonnen. Eigentlich hatte er geplant, das Beweisverfahren mit der Einvernahme von Thomas Schmid zu beginnen, der frühere Generalsekretär des Finanzministeriums wird aus Termingründen aber erst am 11. Dezember drankommen.

Erster Zeuge im Verfahren, in dem Kurz und seinem Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss vorgeworfen wird, war nun der Freiheitliche Arnold Schiefer, bis zum Sommer Finanzvorstand der ÖBB-Holding. Er war aufseiten der FPÖ in die Koalitionsverhandlungen mit der türkisen Bewegung von Kurz eingebunden und soll mit Schmid eine Vereinbarung zu Personalagenden getroffen haben – von der Kurz laut eigener Aussage nichts gewusst habe. Er habe "keine Ahnung, was die vereinbart haben", sagte Kurz im Ibiza-U-Ausschuss im Juni 2020; das ist einer der Anklagepunkte gegen ihn. Auch Bonelli sagte im U-Ausschuss, er könne sich an eine solche Vereinbarung "nicht erinnern".

Wusste Kurz von einem Sideletter?

In Schiefers Befragung im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien ging es also vor allem darum, ob Kurz von einem Schmid-Schiefer-Personalpaket für die Besetzung der Posten in der Staatsholding Öbag gewusst hat. Im U-Ausschuss war zu diesem Thema eine entsprechende Chatnachricht von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) an den früheren Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) vorgelegt worden.

Schiefer erklärte vor Gericht, dass der Sideletter zwischen ÖVP und FPÖ ein "Gentlemen's Agreement" gewesen sei, das mündlich abgemacht worden sei. Das habe dann "wer, der sich nicht auskannte", verschriftlicht. Daraufhin sei es zu Irritationen beim damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gekommen, der meinte, die ÖVP halte sich nicht an Vereinbartes. "Da ist uns ein gigantischer Fehler passiert", hieß es, den man aber bei der Formulierung des Öbag-Gesetzes noch reparieren habe können.

Dazu habe er mit Anwältin Edith Hlawati verhandelt, sie habe einen Gesetzesentwurf fürs Finanzministerium formuliert - Hlawati ist mittlerweile übrigens selbst Öbag-Chefin. Geplant war damals eine Aufteilung zu zwei Dritteln ÖVP und einem Drittel FPÖ in der Öbag; Schiefer sei auch immer gegen einen Alleinvorstand gewesen.

"Widerlicher Kerl Arno" als Kompliment

Zu abschätzigen Chats über ihn, die von Schmid geschrieben worden sei, meinte Schiefer, er sehe das als Kompliment - er habe ja keinen Beliebtheitspreis bei der ÖVP gewinnen wollen. Schmid sei seine "Schnittstelle" zur ÖVP gewesen, er habe mit ihm verhandelt. So sei gewissermaßen auch die "Schmid-Schiefer"-Vereinbarung entstanden, ein Papier, das bei Löger und Staatssekretär Hubert Fuchs gelandet sei. Der "Zettel" sei immer wieder aufgetaucht, so wie bei "Und täglich grüßt das Murmeltier", meinte Schiefer.

"Ist das Postenschacher? Ich weiß es nicht", sinnierte Schiefer vor dem Richter. Später monierte er, dass man in Österreich Leute "immer in Kastln hinein" werfe, auch wenn sie überparteilich sei.

Er habe sich mit Schmid wohl über Aufsichtsratsposten bei der Öbag unterhalten, ihm und Schmid "sei das Aktienrecht" aber bekannt - er wisse also, dass der Vorstand vom Aufsichtsrat und der vom Eigentümer zu bestellen sei. Kurz persönlich habe bei Schiefer "nie" interveniert. Die SMS seien ein "Dschungel", es mache ihn nervös, "wenn ständig Dinge vermischt werden". Es sei immer viel im Fluss gewesen, Strache habe dann gedroht, die Bankenaufsichts-Reform zu blockieren; das habe man auflösen müssen.

Kurz und Bonelli weisen die Vorwürfe zurück, und es gilt die Unschuldsvermutung. Gegen Mittag brachte Kurz etwa vor, dass die WKStA nicht alle Chats berücksichtigt habe, und der Schriftverkehr ihn in seiner Gesamtheit entlasten würde. So habe sich Schmid in jener Zeit, in der Kurz ihn angeblich zum Öbag-Chef bestimmt habe, kein einziges Mal bei ihm bedankt.

Die Verhandlung war bis 16 Uhr anberaumt, jedoch deutlich früher vorbei. Weiter geht es am 11. Dezember mit Schmid. (gra, fsc)

Kurz warf WKStA vor, nicht alle Chats zu berücksichtigen