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Alle haben es gesehen, keiner hat es - bis jetzt - bemerkt: Kühe schauen auf allen Weiden dieser Welt zumeist nach Norden.
Der genaue Grund für das Verhalten ist freilich ungeklärt.

Foto: APA/dpa/Haid

Duisburg - Beobachtbar ist das Phänomen im Prinzip seit Tausenden von Jahren. Doch keinem Jäger, Hirten oder Bauern ist es bis jetzt in dieser Form aufgefallen - und das, obwohl es bei Rindern und Rotwild rund um den Erdball einigermaßen offensichtlich ist.

Nun haben es findige deutsche Biologen - auch dank neuer Satellitentechnik - endlich entdeckt: Kühe und Rehe stehen und liegen auf den Weiden zumeist in nördlicher Richtung. Was wiederum bedeutet, dass sie ziemlich sicher über einen Magnetsinn verfügen dürften, wie Sabine Begall, Zoologin an der Universität Duisburg- Essen, im Gespräch mit dem STANDARD erklärt.

Lange Zeit hat man den nur für etliche (Zug-)Vogelarten, für Lachse, Schildkröten und Bienen angenommen - ohne freilich bis heute genau zu wissen, wie er tatsächlich funktioniert. Doch das Orientierungsvermögen der über weite Strecken wandernden Tiere ließ keinen andere Erklärung als einen "eingebauten Kompass" zu.

Mittlerweile ist auch von einigen Kleinsäugern bekannt, dass sie einen Sinn für den Erdmagnetismus haben dürften: von einer Fledermausart und einigen unterirdisch lebenden Nagetieren wie dem afrikanischen Graumull, dessen sechster Sinn erstmals vom deutsch-tschechischen Biologen Hynek Burda beschrieben wurde. Burda, heute Zoologie-Professor an der Universität Duisburg-Essen, hatte auch die Idee zu der neuen Studie. Um zu überprüfen, ob womöglich auch bei großen Säugetieren eine Art von Magnetsinn vorliegt, schlug er vor, doch einfach Google-Earth-Aufnahmen von Rinderherden zu untersuchen.

"Von den Ergebnissen waren wir alle völlig überrascht", berichtet Burdas Mitarbeiterin Begall, die Erstautorin der Untersuchung, die im angesehenen US-Fachblatt "PNAS" (online vorab) veröffentlicht wurde. Bei der Auswertung von 308 Weiden auf sechs Kontinenten und insgesamt 8510 Tieren zeigte sich nämlich eine "hoch signifikante" Ausrichtung der Tiere in Nord-Süd-Richtung. Mögliche andere Erklärungen für das Verhalten der Tiere, wie die Einflüsse von Wind und Sonne, konnten die Forscher ausschließen.

Mithilfe tschechischer Kollegen, die Schlafplätze von Rehen und Hirschen analysierten, konnten sie ihre Entdeckung auch noch ausweiten. Auch die Liegeplätze von Rotwild sind nach Norden ausgerichtet, was auch für diese Tiere einen sechsten Sinn vermuten lässt.

Warum sie den besitzen und wie er konkret funktioniert, ist den Forschern freilich noch ein Rätsel. "Womöglich könnte er ein Relikt früherer Wanderungsbewegungen sein", vermutet Begall. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 8. 2008)