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Für den Einsatz nicht mehr brauchbar, weil medizinische Geräte nicht nachbeschafft wurden: Feldspital des Bundesheeres (hier aufgebaut in Graz).

Foto: APA/Bundesheer/Grebien

Wien - Wenn der Wiener Medizinprofessor Manfred Strickner an Bundesheer-Plakaten vorbeigeht, auf denen "Schutz und Hilfe, wo andere nicht mehr können" versprochen wird, kann er sich ein zynisches Lachen kaum verbeißen: "Ich müsste ehrlich sagen: Wir können nicht mehr."

Strickner ist neben seiner Tätigkeit am Wiener AKH auch Oberstarzt bei Bundesheer und Präsident der "Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie" - und aus dieser Perspektive stellt er dem Militär ein vernichtendes Zeugnis aus: Die Sanität beim Bundesheer könne die - allseits mit großer Selbstverständlichkeit vorausgesetzte - Funktion weder im Inland noch im Ausland erfüllen.

Zwar habe das Bundesheer in den vergangenen Jahren mehr Ärzte aufnehmen können, diese könnten aber kaum Aufgaben übernehmen, "die über die eines Hausarztes für das Camp im Kosovo hinausgehen" , sagt Strickner. Denn es handelt sich um Allgemeinmediziner, "die im Schnellsiedeverfahren drei Sterne auf die Schultern bekommen - und die nach drei Jahren auch wieder weg sind" .

Schon wenn es bei einem Einsatz wie dem im Kosovo dazu komme, dass ein Soldat eine Schusswunde erleidet, würden die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Sanitätsdienstes rasch erreicht.

Die vom Bundesheer in solche Einsätze geschickten Soldaten hätten nämlich keine praktische Erfahrung mit derartigen Verwundungen: "Bei uns kommt das ja, Gott sei Dank, nicht vor, dass die Leute wild herumschießen. Die Expertise für derartige Verletzungen erwirbt man in einem Landeskrankenhaus St. Veit, so gut das sonst auch sein mag, eben nicht."

Sein Kollege und Kamerad Peter Nagele mahnt daher schon seit Jahren, dass die Militärmediziner eine praxisnähere Ausbildung brauchen würden. Nagele ist derzeit zur Fortbildung an der Washington University School of Medicine in St.Louis im Bereich der Unfallanästhesie tätig und hat tagtäglich mit Schussverletzungen zu tun: "Ich selbst bin noch immer Milizsoldat und werde eigentlich ziemlich regelmäßig als ‚Spinner‘ bezeichnet, wenn es darum geht, warum ich mir das als Universitätsprofessor am AKH noch immer antue." Derartige Erfahrungen wären auch für andere Militärärzte wichtig, damit sie helfen können, wenn es ernst werden sollte.

Skalpell und Sturmgewehr

Die niederländischen Streitkräfte schicken etwa ihre Chirurgen für zwei Semester an Kliniken in Südafrika, wo sie mit den Folgen der dort ausgeübten Gewalt tagtäglich konfrontiert sind.
Was ein moderner "Combat Medic" beherrschen müsste, wäre zudem das Soldatenhandwerk. Mit einer Pistole zur Selbstverteidigung komme man an manchen Schauplätzen nicht mehr weiter, da müsse schon ein Sturmgewehr mitgeführt werden. Viele österreichische Militärärzte hätten aber mit dem Militär an sich "nichts am Hut" , formuliert Strickner. Sie verließen sich auch darauf, dass das Rote Kreuz respektiert werde - aber das gelte leider gerade in auseinanderfallenden Staaten nicht: Dort wären gerade Sanitätsdienste besonders gefährdet, weil sie Rebellen als leichte Opfer erscheinen.

Schon hätten etwa die Deutschen begonnen, die roten Kreuze an ihren Sanitätseinheiten zu entfernen, um nicht Angriffe auf sie zu ziehen.

Unter solchen Bedingungen ist es nicht einfach, qualifizierte Unfallchirurgen zu finden, die sich eine Zusatzausbildung als "Einsatzchirurgen" erwerben und bereit sind, sich in gefährlichen Gebieten zu exponieren. Auch die deutsche Bundeswehr hätte unter 3000 Ärzten nur fünf bis sechs ausgebildete Einsatzchirurgen, sagt Strickner.

Dafür kann die Bundeswehr etwas, wofür unserem Bundesheer die Ausrüstung fehlt: Als ein Brand Ende September im Schwerpunktkrankenhaus Konstanz die Operationssäle und die Röntgeneinrichtung zerstörte, konnte innerhalb von drei Tagen ein mobiles Bundeswehr-Spital aus Ulm an den Bodensee verlegt werden und den Betrieb wiederherstellen.

Auch im Inland überfordert

Sollte in Österreich ein ähnlicher Fall eintreten, könnte das Bundesheer schon deshalb nicht aushelfen, weil die für Operationen notwendigen Sterilisatoren ebenso wie die Narkosegeräte so veraltet sind, dass sie aufgrund von EU-Vorschriften außer Betrieb genommen werden mussten. Seit 2002 hat es keine Nachbeschaffung gegeben. Das heißt: Die bestehenden Feldspitäler sind nicht einsatzfähig - und die Neuanschaffung eines im Containersystem eingerichteten Spitals ist noch nicht einmal ausgeschrieben.

Ungelöst ist auch, wie Verwundete in einem Ernstfall geborgen werden sollten: Österreich hat nur drei Sanitätsschützenpanzer. Für eine Rückholung Verwundeter aus dem Tschad oder dem Kosovo fehlen überhaupt die Transportkapazitäten. (Conrad Seidl/DER STANDARD Printausgabe, 5. November 2008)