Wien - Volkan Kahraman rechnet nicht damit, doch noch für das Länderspiel gegen die Türkei einspringen zu müssen. Auch wenn der 29-jährige Spielmacher im besten Fußballer-Alter wäre, macht er sich keine falschen Hoffnungen am Mittwoch im Happel-Stadion den Zehner zu tragen. "Das wird eine total glanzlose Partie, vielleicht ein 0:0", sagt Kahraman. Die Aufmerksamkeit des türkischstämmigen Wieners gehört einer anderen Fußball-Mannschaft: Besiktas Wien. Den selbst mitbegründeten Verein will Kahraman als Trainer ganz nach oben führen und "damit beweisen, wie man in Österreich Fußball spielen sollte."
derStandard.at: Warum stehen Sie nicht im Kader für das Spiel gegen die Türkei?
Volkan Kahraman: Ich glaube, dass ich im falschen Fußballland geboren worden bin. Ich rate jedem talentierten Spieler, Österreich zu verlassen. Man kann sich als kreativer Fußballer in Österreich nicht entwickeln und wird auch nicht genug gefordert.
derStandard.at: Sind Sie als Spieler noch aktiv?
Volkan Kahraman: Meine Situation ist bekannt, ich war oft verletzt und habe oft mit Trainern gestritten. Ich möchte aber noch spielen und verhandle derzeit mit einem Regionalliga-Verein.
derStandard.at: Sie haben ihr Debüt im Nationalteam 2002 gegen die Schweiz gegeben. Mit Roland Linz und Roman Wallner galten Sie als vielversprechende Generation - warum hat es nicht geklappt?
Volkan Kahraman: Die jungen Spieler in Österreich heben zu schnell ab. Man wird sofort hochgejubelt, aber auch wieder fallengelassen. Das Beste Beispiel: Andreas Ivanschitz, der als österreichischer Beckham gefeiert wurde und jetzt um die Kapitänsschleife im Team betteln musste.
derStandard.at: Warum hat ihre Profi-Karriere ein so frühes Ende genommen?
Volkan Kahraman: Ich habe den Fußball immer anders gesehen, als meine Trainer und nicht immer gemacht, was von mir verlangt wurde. Dazu gehörte sicher auch die Laufarbeit.
derStandard.at: Worin liegt der Reiz bei Besiktas Wien als Trainer zu arbeiten?
Volkan Kahraman: In Österreich kennt man mich als Problemkind. Ich will hier beweisen, wie man Fußballspielen sollte. Der Verein wurde 2008 von mir mitbegründet. Wir wollen einen türkischen Verein in Österreich ganz nach oben bringen und das werde ich auf meine Art und Weise machen.
derStandard.at: Was ist die Art und Weise von Trainer Volkan Kahraman?
Volkan Kahraman: Mein Schwerpunkt liegt ganz klar auf dem spielerischen und nicht auf dem athletischen Fußball. Solange man in Österreich sagt, der Spieler macht zwar Fehler, aber er rennt wie ein Löwe, wird sich in diesem Land nie etwas weiterentwickeln. Nur das Abspielen, Stoppen und Schießen machen das eigentliche Spiel aus, das müssen auch die Nachwuchstrainer begreifen. Ich will Spieler wie einen Prohaska oder Ogris hervor bringen.
derStandard.at: Was läuft ihrer Meinung nach im Nachwuchsbereich falsch?
Volkan Kahraman: Es gibt leider zu viele Trainer, die als Spieler Verteidiger waren und bezüglich offensivem Fußball niemandem etwas beibringen können. Stranzl, Pogatetz, Scharner sind Österreichs internationale Aushängeschilder und alle sind Verteidiger. Das war nicht immer so.
derStandard.at: Haben das nur Sie bemerkt oder will man nichts ändern?
Volkan Kahraman: Im österreichischen Nachwuchs wird aktiv blockiert, neue Ansätze sind nicht erwünscht. Kraft und Kondition sind aber zu hundert Prozent die falschen Schwerpunkte. Mit der Nachwuchs-Nationalmannschaft haben wir gegen Holland fast immer gewonnen. Bären wie Scharner und Stranzl haben die kleinen Techniker einfach weggeräumt. Fünf Jahre später, hatten wir keine Chance mehr gegen die gleichen Spieler. Da muss man doch merken, dass etwas nicht stimmt.
derStandard.at: Wie sollte reagiert werden?
Volkan Kahraman: Mit Taschengeld-Trainern kommt man in Österreich nicht weiter, es müssen professionelle und gut bezahlte Leute her, sonst ändert sich nichts.
derStandard.at: Zurück zu Besiktas Wien: Was sind die sportlichen Ziele?
Volkan Kahraman: Wir spielen derzeit im Reichsbund, einer Amateurliga. Der nächste Schritt ist eine Fusion mit einem Oberliga-Verein. Wir haben auch schon mit Etsan Vienna Türkgücü verhandelt. Wenn wir es in die Regionalliga geschafft haben, wollen wir die Kontakte zu Besiktas Istanbul ausbauen und sie nach Österreich einladen. Als eine Art Satelliten-Verein könnten wir Trainingslager und Freundschaftsspiele mit Besiktas veranstalten und ab der Ersten Liga auch türkische Spieler einsetzen.
derStandard.at: Was genau kann man sich unter einem türkischen Fußballverein vorstellen?
Volkan Kahraman: Ich denke, dass die österreichischen Türken im Fußball benachteiligt und aktiv übersehen werden. Wenn es in einem Verein Unruhe oder Probleme gibt, ist sofort der Türke schuld. Wir wollen beweisen, dass man mit türkischen Spielern weit kommen kann. Mindestens 80 Prozent unserer Spieler sollten Türken sein, die eine richtige türkische Art vorleben.
derStandard.at: Was soll man sich darunter vorstellen?
Volkan Kahraman: Es gibt ein paar Vorschriften, wie ein Türke sein sollte. Respekt steht ganz oben. Respekt gegenüber dem Land in dem er lebt und seinen Mitmenschen. Wir wollen die Spieler auch in ihrer Persönlichkeit prägen.
derStandard.at: Warum sind Galatasaray, Besiktas und Fenerbahce bei vielen Türken beliebter als Austria, Rapid oder Sturm?
Volkan Kahraman: Der Fußball in Österreich ist einfach nicht attraktiv genug.
(Mit Volkan Kahraman sprach Simon Hirt)