Wien – Mit ihren Mitschülern spricht Sarah Jakobi nicht über den Konflikt im Gazastreifen. "Ich glaube, dass die meisten auch nichts davon verstehen", sagt die 13-jährige Schülerin des Sigmund-Freud-Gymnasiums in Wien. Auch im Unterricht wurde die Thematik nicht angeschnitten, mit Ausnahme einer Lehrerin, die Sarah kritisiert. "Sie hat gesagt, dass eigentlich England Schuld daran hat, weil das Land den Palästinensern gehört hat und die Engländer es Israel gegeben haben."

Sarah verbrachte einen Teil der Weihnachtsferien mit ihrer Schwester in Israel, von wo ihre Familie väterlicherseits stammt. Ihre Mutter ist Jüdin aus Aserbaidschan. Jeden Abend hat sie die Zeitungen gelesen, mit Sorge verfolgt sie die Entwicklungen.

Verschleppung des Konflikts

"Streitigkeiten auf der ganzen Welt" befürchtet Sarah, die die Aufrufe zum Boykott jüdischer Geschäfte durch den linksradikalen italienischen Gewerkschaftsverband "Flaica Cubin" erschreckend findet. Der Konflikt spielt sich "nicht in Italien, sondern in Israel ab" erklärt sie, weshalb er auch dort bleiben soll. Die Demonstrationen weltweit gegen den "Gaza-Krieg" findet sie "heftig" und zeigt ein gewisses Unverständnis dafür, da "die Palästinenser die Israelis angegriffen haben und nicht umgekehrt."

Von "lauten Gesprächen" in ihrer Familie berichtet die 13-jährige Elisabeth Hajwatova, wenn es um den Konflikt geht. Vonseiten ihrer Schule, dem jüdischen Realgymnasium Lauder Chabad, wird das aktuelle Zeitgeschehen kaum angesprochen. "Na ja, tabu ist das Thema nicht wirklich, aber die österreichischen Lehrer sind wahrscheinlich neutral, kann man sagen", fährt Elisabeth fort.

Die Ereignisse lösen in ihr Resignation aus, es stimmt sie "traurig, dass viele Menschen unter solchen Konflikten leiden. Aber man kann es nicht ändern." Die weltweiten Proteste gegen die israelische Militäroffensive akzeptiert Elisabeth, auch wenn sie sich ihnen nicht anschließen würde.

"Einseitige Berichterstattung"

Als "eine Frechheit" bezeichnet hingegen Joelle Kürzer (13) die weltweiten Demonstrationen.

Sie besucht das 1919 gegründete jüdische Privatgymnasium Zwi Perez Chajes (ZPC) und kritisiert vor allem die ihrer Meinung nach einseitige Berichterstattung: "Ich finde es schrecklich, dass man nur weinende palästinensische Kinder sieht", sagt sie. "Dadurch wird der Eindruck erweckt, dass die Juden extra schauen, wo Kinder mit ihren Müttern sind, damit sie sie umbringen können", fügt die Schülerin zynisch hinzu.

Joelle sieht allerdings die primäre Gefahr darin, was sich zurzeit außerhalb Israels in Europa in diesem Zusammenhang abspielt. Sie fürchtet, dass der Anschlag auf eine Synagoge in Toulouse und die Boykottaufrufe in Italien den Konflikt verschärfen werden.

Trotzdem ist sie der Meinung, dass Israel die Militäroffensive nicht aufgeben sollte, denn "wenn die Juden immer aufgeben, werden die Palästinenser immer stärker werden." (Bath-Sahaw Baranow/DER STANDARD, 13.1.2009)