Die Ursprünge des Austronesischen lassen sich bis zum Jahr 5230 nach Taiwan zurückverfolgen. Von da aus eroberte die Sprachfamilie den pazifischen Raum in Richtung Osten.

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Genetische Untersuchungen des Magenkeims Helicobacter pylori belegen diese Besiedelungsdynamik.

Foto: APA/dpa/Volker Brinkmann / Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie

Washington - Sprechen Sie Austronesisch? Wahrscheinlich eher nicht, denn mit Österreichisch hat das nichts zu tun - und rein geografisch betrachtet schon gar nicht. Austronesisch bezeichnet nämlich die dominierende Sprachfamilie des pazifischen Raums, zu der heute 1150 verschiedene Sprachen gezählt werden, die von insgesamt rund 300 Millionen Menschen gesprochen werden - von Madagaskar bis zur Osterinsel und von Taiwan bis Neuseeland.

Keine andere Sprachfamilie hat damit ein weiteres Ausdehnungsgebiet als die austronesische. Doch wo und wann liegt der Ursprung der Sprachfamilie? Und wie haben sich Sprachen über die weiten Strecken ausgebreitet?

Eine neue Studie eines interdisziplinären neuseeländischen Forscherteams zeichnet nun den einigermaßen komplexen Stammbaum von 400 austronesischen Sprachen nach - und bringt damit auch Licht in die Besiedlungsgeschichte der pazifischen Inseln.

Der Keim der Besiedlung

Diese Erkenntnisse, die heute in der neuen Ausgabe des US-Wissenschaftsmagazins Science (Bd. 323, S. 479) veröffentlich werden, bestätigen dabei eine andere Untersuchung, die auf eine methodisch völlig andere Weise die Besiedelung des Südpazifik rekonstruiert - nämlich mithilfe des Bakteriums Helicobacter pylori.

Der Keim, der beim Menschen für Magengeschwüre sorgt, hat sich in den vergangenen Jahren nämlich als aussagekräftiges Hilfsmittel für die Erforschung der jüngeren Menschheitsgeschichte erwiesen. Was daran liegt, dass der Homo sapiens bereits vor 60.000 Jahren, als er Afrika verließ, vom Bakterium geplagt wurde.

Seitdem haben sich die Genome der beiden beständig leicht verändert. Anhand von Genanalysen des unangenehmen Begleiters - 50 Prozent aller Menschen sind infiziert - bzw. seiner spezifischen Veränderungen lässt sich rekonstruieren, wie sich die Ausbreitung des Menschen rund um den Globus vollzog.

Ein internationales Forschungsteam um Yoshan Moodley (zurzeit am Konrad Lorenz Institut für Verhaltensforschung in Wien tätig) hat Magenkeimproben von autochthonen Bewohnern des gesamten Pazifikgebiets genommen. Anhand einer genetischen Magenkeimlinie namens hpSahul konnten sie zeigen, dass eine erste Wanderung vor mehr als 30.000 Jahren aus Asien in Richtung Süden startete. Über die damals existierende Landbrücke wanderten die Menschen auf die Inselwelt Indonesiens, weiter nach Neuguinea und Australien.

Eine zweite genetische Verwandtschaftslinie des Magenkeims namens hpMaori deutet auf eine weitere Besiedelungswelle hin, die vor rund 5000 Jahren in Taiwan ihren Ausgang nahm. Die Menschen erreichten von da aus in mehreren Wellen die Philippinen, Polynesien bis zur Osterinsel und südlich bis Neuseeland (Science, Bd. 323, S. 479).

Die komplementären Erkenntnisse über die menschliche Besiedlung des pazifischen Raums liefert die Computer-gestützte historische Linguistik. Die drei neuseeländischen Forscher um R. D. Gray haben ihre Computer mit 210 zentralen Wörtern von insgesamt 400 Sprachen des pazifischen Raums gefüttert und ausgewertet.

Die Sprachen der Besiedler

Dabei ergab sich ein noch detaillierteres Bild der Besiedelungsdynamik. Die austronesische Sprachfamilie nahm vor 5000 Jahren in Taiwan ihren Ausgang. Womöglich aufgrund der mit 350 km relativ großen Distanz zu den Philippinen kam es zu einer ersten kurzen Pause der Sprach- und Besiedelungsentwicklung. Dann ging es vor rund 4000 Jahren in Richtung Osten weiter, ehe Mensch und Sprache nach einer zweiten Pause zuletzt auf der Osterinsel ankamen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 23.01.2009)