Richter, Schreiber, Henker: Die Hexenprozesse waren straff organisiert. Nur in den seltensten Fällen entkamen die Angeklagten dem Scheiterhaufen.

Foto: artfremd Videoproduktion / Bauer

Die Bande des "Zauberer Jackl" sorgte im Salzburg des späten 17. Jahrhunderts für Hysterie. 138 Menschen mussten ihre Bekanntschaft mit dem gejagten Jakob Koller mit dem Leben bezahlen.

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Die Prozesse wurden penibel dokumentiert. Heinz Nagl ging für seine Dissertation einen meterhohen Papierstapel im Salzburger Landesarchiv durch: "Ich musste oft aufstehen und rausgehen, weil ich diese Grässlichkeit und Grausamkeit nicht ausgehalten habe", sagt er.

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Salzburg - Einem der dunkelsten Kapitel der Salzburger Landesgeschichte widmet sich eine Filmdokumentation, die Ende Jänner im Salzburger "Das Kino" Premiere hatte: "Hast du den Zauberer Jackl gekannt?" von der jungen Regisseurin Sabine Bauer behandelt den letzten großen Hexenprozess Mitteleuropas, der zwischen 1675 und 1690 in Salzburg stattfand und mindestens 138 Menschen das Leben kostete - überwiegend Kinder und Jugendliche aus den untersten Schichten der Bevölkerung.

Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts der Spuk der Hexenverfolgungen in weiten Teil West- und Mitteleuropas schon vorbei war, über hundert Jahre nach der bis dahin letzten Hexenverbrennung im Fürsterzbistum Salzburg, brachte 1675 die Verhaftung der etwa 50-jährigen Landstreicherin Barbara Kollerin in Golling alles in Rollen. Die Kollerin hatte zusammen mit ihrem Sohn Jakob Opferstöcke in den Kirchen der Umgebung aufgebrochen - beim Verhör in der Hauptstadt beschuldigte sie ihren Sohn des Diebstahls und der Zauberei. Die Kollerin wurde hingerichtet, ihr Sohn gesucht - ergebnislos.

Jagd auf ein Phantom

Jakob Koller wurde schnell zur Legende - er soll eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen um sich geschart haben und mit ihnen bettelnd und stehlend durch die Lande gezogen sein. Im Volk kursierten viele Gerüchte über ihn: Der "Jackl", wie er genannt wurde, soll mit dem Teufel im Bund sein, sich unsichtbar machen und fliegen können, hieß es. Als im Lauf des Jahres 1677 dann mehrere festgenommene junge Bettelbuben angaben, sie seien mit dem "Zauberer Jackl" in Kontakt gestanden, ging eine Lawine los.

Erzwungene "Geständnisse"

Die Buben wurden im Rathaus der Stadt Salzburg eingekerkert, verhört und gefoltert. "Die meisten sind schon beim Anblick der Foltergeräte zusammengebrochen und haben alles gestanden, was ihnen in den Mund gelegt wurde", sagt der Historiker Heinz Dopsch von der Uni Salzburg. Richter, Ankläger und Verteidiger in einer Person war bei diesen Prozessen der Kommissar Sebastian Zillner, ein Mitglied des Salzburger Hofrats, der obersten Justizbehörde des Landes. "Hast du den Zauberer Jackl gekannt?", lautete stets die erste Frage an die Angeklagten.

Nur jeder Sechste kam frei

Die meisten von ihnen bejahten unter Druck der Folter die Frage. "Das war das Todesurteil", sagt Heinz Nagl, der im Jahr 1966 über die "Zauberer-Jackl-Prozesse" dissertiert hat. Was dann folgte, waren Denunziationen gegen andere junge Leute - die letztlich 198 meist jugendlichen Angeklagten hofften so, ihre Strafe zu mildern. 138 von ihnen endeten dennoch auf dem Scheiterhaufen, am Galgen oder unter dem eigens eingeführten Fallbeil. Fünf Menschen starben im Lauf des Verfahrens, 13 wurden des Landes verwiesen, elf Kinder kamen zu Pflegeeltern; lediglich 31 Personen wurden freigelassen.

Gezielt gegen Randgruppen

Über die Hintergründe dieser Hinrichtungsorgie gibt es nur Vermutungen; die meisten Historiker gehen aber davon aus, dass die Obrigkeit im Fürsterzbistum die Gelegenheit nützte, um Randgruppen der Gesellschaft - Bettler, Landstreicher, Behinderte - aus dem Weg zu räumen. Anschuldigungen gegen etablierte Bürger wurde dagegen nicht weiter verfolgt.

Auf Unterstützung aus dem Bauernvolk konnten die Angeklagten nicht hoffen: Die umherziehenden Bettlergruppen waren verhasst und ihre "Zauberei" diente als Erklärung für schlechtes Wetter, Missernten und Hungersnöte. Die "kleine Eiszeit" war damals auf ihrem Höhepunkt, die Durchschnittstemperaturen lagen drei bis vier Grad unter den heutigen Werten.

"Sonderstellung" unter Hexenprozessen

1690 wurde der Prozess eingestellt - auch die Hintergründe dafür sind nicht geklärt. Einer gängigen Theorie zufolge war der Hauptgrund, dass die Kosten für das Verfahren immer mehr anstiegen. Die Geschehnisse rund um den "Zauberer Jackl" - der im Übrigen nie wieder gesehen wurde - nehmen "in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung unter den europäischen Hexenprozessen" ein, sagt Historiker Dopsch. Nicht nur wegen der Zahl der Hingerichteten - es handelt sich um den größten Hexenprozess auf dem Boden des heutigen Österreich -, sondern auch wegen der Zusammensetzung der Opfer: Vier Fünftel waren männlichen Geschlechts, zwei Drittel nicht älter als 21 Jahre. Der jüngste Hingerichtete war gerade einmal zehn Jahre alt. Zu 90 Prozent traf es Randgruppen der gesellschaftlichen Unterschicht.

Fernsehausstrahlung ungewiss

Die 33-jährige Sabine Bauer bedient sich bei ihrem 30-minütigen Regiedebüt auch einer literarischen Vorlage: Felix Mitterer hat 1989 Ausschnitte aus den Verhörprotokollen zum Theaterstück "Die Kinder des Teufels" verarbeitet. Spielszenen daraus, in der Festung Hohensalzburg gefilmt, bilden zusammen mit Bildern von der Wanderschaft der "Zauberer-Jackl-Bande" und Landschaftsaufnahmen den Rahmen, in den Interviews mit Historikern eingebettet sind. Ob der Film auch noch den Weg ins ORF-Fernsehen schafft, ist unklar. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 26.01.2009)