Vor großen Veränderungen steht die Politikwissenschaft am Salzburger Rudolfskai: Zwei der vier Professuren werden neu besetzt.

Foto: derStandard.at/Peherstorfer

Franz Kok, Vorsitzender der Curricularkommission, erhofft sich "frischen Wind" durch den Generationswechsel in der internationalen und der österreichischen Politik.

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Salzburg – Die Abteilung Politikwissenschaft an der Uni Salzburg steht vor einem Generationswechsel: Zwei der vier Professuren werden mit Herbst neu besetzt. Auch inhaltlich wird sich dadurch Einiges verschieben – wirtschaftspolitische Themen sollen in den Vordergrund rücken, sicherheitspolitische in den Hintergrund. Die Zukunft der Forschung zur Politik in den Bundesländern, bisher eine Spezialität der Salzburger Abteilung, ist ungewiss.

Karriere im Ausland

Beide neuen Professoren kommen aus Österreich, haben ihre wissenschaftliche Karriere aber im Ausland gemacht. Professor für österreichische Politik ist ab Herbst der Kärntner Reinhard Heinisch, der seit 1986 in den USA lebt und zuletzt Professor für Politikwissenschaft an der University of Pittsburgh (Pennsylvania) war.

Zu Heinischs Forschungsschwerpunkten gehört der Vergleich nationaler politischer Systeme, insbesondere der österreichischen, US-amerikanischen und bolivianischen Politik. Auch Rechtspopulismus und Sozialpartnerschaft, Menschenrechtspolitik sowie Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union gehören zu seinen Themen.

Wirtschaftspolitik als neuer Schwerpunkt

Neuer Professor für internationale Politik in Salzburg wird der Vorarlberger Andreas Dür. Er arbeitete zuletzt am University College Dublin und war davor am Zentrum für Europäische Sozialforschung in Mannheim tätig. Dür ist Spezialist für internationale Handelsbeziehungen. War die internationale Politikwissenschaft in Salzburg bisher eher sicherheitspolitisch orientiert, wird sie sich nun verstärkt der zwischenstaatlichen Wirtschaftspolitik widmen. Die Europäische Union sei dabei ein wichtiges, aber nicht das einzige Studienobjekt, "um Theorien der internationalen Politik zu überprüfen", sagt Dür im Gespräch mit derStandard.at.

"Strukturelle Schwächen"

Der Generationswechsel an der Abteilung bringe "sicher auch eine Internationalisierung", sagt Dür, gebe es doch im angloamerikanischen Raum mitunter andere Vorstellungen darüber, "wie Lehre und auch Forschung aussehen sollten". Im Bachelor-Bereich bräuchten sich österreichische Politik-Studierende zwar nicht verstecken, im Master- und Doktoratsstudium gebe es aber "strukturelle Schwächen, etwa in der Methodenausbildung". Das führe "natürlich auch zu Qualitätsunterschieden".

Es sei für Nachwuchswissenschaftler sehr schwer, in Österreich eine Uni-Karriere zu verfolgen, sagt Dür. Ein Grund dafür seien die schlechten Betreuungsverhältnisse ("In den USA oder in Irland wird man im Master-Bereich in der Regel nicht mehr als 15 Leute im Seminar haben"), aber auch "die starke Konzentration auf die Habilitation" und die mächtige Stellung der Professoren im Vergleich zum universitären Mittelbau seien hinderlich.

"Neue didaktische Vorstellungen"

Der Vorsitzende der Curricularkommission, Franz Kok, erwarte sich von den beiden neuen Professoren "frischen Wind in Sachen Vermittlung und Didaktik", sagte er zu derStandard.at. Durch ihre Erfahrungen im angloamerikanischen Raum brächten Dür und Heinisch "neue Stile, neue Methoden und neue didaktische Vorstellungen" nach Salzburg. Inhaltlich gebe es die Chance, sich stärker mit Phänomenen der Globalisierung und Regionalisierung zu beschäftigen als bisher.

Master- und Doktoratsprogramm zur EU

Weiterhin werde die Politik der Europäischen Union ein klarer Schwerpunkt in Forschung und Lehre bleiben, sagt Kok. Die Salzburger Politikwissenschaft beteiligt sich am interdisziplinären Master-Studium "European Union Studies" der Universität, das vor kurzem auch durch ein eigenes Doktoratskolleg verstärkt wurde. Ob die Analyse der Politik in den Bundesländern in vollem Umfang beibehalten wird, wo man "bisher sehr stark" gewesen sei, ist dagegen noch nicht klar.

Relativ wenig Studierende

Kok sieht die relativ geringe Studierendenzahl in Salzburg – im Schnitt gibt es pro Jahr knapp 100 Anfänger in Politikwissenschaft – als Vorteil für den Standort. Eine hohe Studentenzahl wie in Wien wirke sich "auf den Studienbetrieb sicherlich nicht nur positiv" aus. Im Gegensatz zum dritten Politikwissenschafts-Standort in Innsbruck sehe sich Salzburg "als Gralshüter der politikwissenschaftlichen Kernfragestellungen im Lehrplan". In Innsbruck ist das erste Jahr des Bachelor-Studiums ident mit jenem der Soziologie, dadurch habe "das politikwissenschaftliche Profil möglicherweise dort und da ein bisschen gelitten".

Hälfte der Absolventen war im Ausland

Als zweite Stärke von Salzburg sieht Kok die stark internationale Ausrichtung: Ein hoher Anteil der Absolventen, in einigen Jahrgängen bis zur Hälfte, habe während des Studiums ein Jahr im Ausland verbracht. Noch zu früh sei es dagegen, über die Einführung des Bachelor-Studiums 2005 eine endgültige Bilanz zu ziehen. Mit ein Grund für die Einführung sei aber gewesen, dass im alten Diplomstudium "viele Studierende, die alle Scheine fertig hatten, nicht zur Diplomprüfung angetreten sind". Untersuchungen hätten daraufhin ergeben, dass in den höheren Semestern mehr als 80 Prozent der Studierenden bereits zumindest halbtags beschäftigt gewesen seien, "davon mehr als die Hälfte in politiknahen Einrichtungen".

Berufsperspektiven

Das Image von der brotlosen Politologie stimme ganz und gar nicht, sagt Kok: "Wir finden in Abgeordnetenbüros, in Klubsekretariaten, in den Landtagen genauso wie im Parlament, sehr häufig Absolventen von uns." Auch Journalismus und Public Relations sowie die Arbeit in Interessensvertretungen seien typische Berufsfelder.

Und in Ministerien und anderen Verwaltungsstellen seien immer häufiger Politikwissenschaftler zu finden, sagt Kok: "Das historische Monopol von Juristen und Volkswirten, das es in der öffentlichen Verwaltung sehr lange gegeben hat, das haben wir sicher mit dem EU-Thema geknackt." Je komplexer politische Vorgänge würden, desto mehr Hintergrundwissen werde gebraucht: "Wir sind ein bisschen Krisenprofiteure. Wir profitieren von der neuen Unübersichtlichkeit von Politik." (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 30.04.2009)